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Der Kuss der Sirene

Der Kuss der Sirene

Titel: Der Kuss der Sirene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Hubbard
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sein«, flüstert Sienna.
    Wieder versetzt es mir einen Stich, denn für Sienna gehöre ich nicht mehr zu allen . Ich bin ein Niemand. Sie sagt das nur, um mich zu ärgern.
    Ich sehe auf die Uhr. Acht Minuten. Mehr Zeit ist nicht verstrichen, seit ich mich hingesetzt habe.
    Â»Super. Ich bin spätestens um acht da.« Er macht eine kurze Pause. »Was ist mit dir?«
    Ich runzle die Stirn, während ich die letzte freie Stelle am linken Rand des Lehrplans ausmale. Wieso fragt er Sienna, wann sie auf ihrer eigenen Party erscheinen wird? Erst als ich aufsehe, wird mir klar, dass er mich gefragt hat.
    Ich öffne den Mund, doch ich weiß nicht, was ich sagen soll.
    Schon springt Sienna ein. »Als wäre Lexi eingeladen …«
    Â»Ich habe sowieso zu tun«, sage ich. Meine Stimme klingt leerer und trauriger, als ich es erwartet hätte.
    Coles Blick wird weich und er will etwas sagen, doch die Lehrerin bewahrt mich vor seinem Mitleid. »Du da, in der Mitte. Hast du eine Frage zum Benotungssystem?«
    Mir stockt der Atem. »Oh, äh, nein, ich glaube, ich habe alles verstanden. Entschuldigung.«
    Dann male ich weiter Wellen und versuche an den See zu denken und nicht an Siennas Party. Ich werde nicht hingehen, also sollte mir das Ganze egal sein. Ich muss schwimmen. Einen weiteren Tag voll solcher Höllenqualen ertrage ich nicht. Ich brauche das Wasser wie die Luft zum Atmen.
    Als ich an diesem Abend nach Hause komme, lasse ich mich auf die Couch fallen und stoße einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Ich dachte, dieser Tag würde nie enden. Bis zur Abenddämmerung dauert es noch ein paar Stunden, aber es tut gut, zu Hause zu sein. Hier muss ich mich nicht verstellen. Seit zwei Jahren tue ich so, als wäre es mir egal, dass mich alle hassen, aber es ist trotzdem nicht leichter geworden. Nur in diesen kostbaren Stunden zwischen Schulschluss und Abenddämmerung kann ich mich entspannen. Sobald die Sonne verschwindet und der Mond aufgeht, wirkt die Anziehungskraft der Gezeiten und ich muss gehen.
    Â»Wie war der erste Tag, mein Schatz?« Grandma kommt mit einer dampfenden Tasse Tee aus der Küche. Tee ist ihre einzige Leidenschaft.
    Ich setze mich auf. »Schön. Ich habe ein paar schwierige Kurse, aber ich schaffe das schon.«
    Â»Du schaffst es doch immer. Ich bin sehr stolz auf dich, das weißt du.« Grandma setzt sich in ihren Lehnstuhl, drückt auf die Fernbedienung und schaltet den Fernseher aus. »Sind auch ein paar deiner Freunde in deinen Kursen?«
    Sie nippt an ihrem Tee und sieht mich über den Rand der zitronengelben Tasse hinweg mit erhobenen Augenbrauen an. Sie hat mitbekommen, dass sich in den letzten zwei Jahren etwas verändert hat. Aber irgendwie habe ich es geschafft, mein großes Geheimnis zu bewahren, sogar vor ihr.
    Sie ist die Mutter meines Vaters und absolut normal, zumindest soweit ich es beurteilen kann. Sie kann nicht mal schwimmen. Sie hat mir immer Geschichten über meinen Vater und sein Segelboot erzählt. Ohne Rettungsweste hätte sie nie einen Fuß daraufgesetzt.
    Und dann segelte er eines Tages davon. Ich habe mir immer vorgestellt, dass mein Dad irgendwann zurückkäme. Dass er einsieht, er hätte uns nie verlassen dürfen. Aber er ist nicht zurückgekommen. Und er wird es auch nie.
    Da meine Großmutter keine Schwimmerin ist, bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich bin eine Laune der Natur oder ich habe das Talent von meiner Mutter geerbt. Aber meine Mum ist seit sechs Jahren tot. Deshalb werde ich es nie mit Bestimmtheit wissen.
    Â»Ã„h, ja, Sienna ist in meinem Englischkurs. Und mit Nicki habe ich Chemie.« Ich vermeide es, Grandma anzusehen, und stehe auf. »Hast du heute schon dein Insulin genommen?«, frage ich. »Wie hoch war dein Messwert?«
    Grandma stellt die Tasse neben sich ab. »Ich wünschte, du würdest dir nicht so viele Sorgen machen. Das ist meine Aufgabe.«
    Ich bleibe vor der Küche stehen. »Ich mache mir keine Sorgen. Ich möchte einfach sichergehen, dass du es nicht vergisst.«
    Â»Du hast doch diesen schrecklichen Alarm eingestellt. Wie könnte ich es da vergessen? Ich falle immer fast aus meinem Sessel, wenn er losgeht.«
    Ich lächele. »Okay, gut. Ich gehe dann mal und bereite dir ein paar neue Spritzen vor. Möchtest du Spaghetti zum Abendessen?«
    Grandma nickt, greift nach der Fernbedienung und schaltet den

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