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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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hast?«
    »Wer hat Sophie?« Selbst von der Mitte des Zimmers aus hatte der Blick des Dämons eine Intensität, die den Schmerz durch die Klauen noch übertraf.
    »Das weiß ich nicht, aber ich weiß, wen wir fragen können.«
    »Sag es mir!«, brüllte Gadreel.
    Damit du dich als Retter geben kannst und sie dankbar in deine Arme sinkt? Niemals! »Ich biete dir einen Handel an.«

    Das Licht in der kleinen Kapelle schwand. Die Schatten dehnten sich aus und gewannen an Schwärze, obwohl es noch nicht spät genug für die Dämmerung sein konnte. Sophie sah zu einem der aus bunten Glasscherben zusammengesetzten Fenster, doch selbst jene Bereiche, die farblos wirkten, gestatteten keinen Blick ins Freie. Die Luft war so feucht wie draußen, doch kühler und dumpfer, ein Geruch nach Gruft, obwohl Kafziel ihr versichert hatte, dass hier schon lange niemand mehr beigesetzt worden war.
    Sie saß auf einer einzelnen steinernen Bank vor dem Altar – oder war es ein Sarkophag? Die Entscheidung schien dem Betrachter überlassen. Es beruhigte sie, dass die Tür der Kapelle nicht verschlossen war. »Du bist frei zu gehen, wann immer du dich dafür entscheidest« , hatte Kafziel gesagt. Doch es beruhigte sie ebenso sehr, dass niemand die Tür von außen öffnen konnte, ohne einen Schlüssel zu haben. Immer wieder hörte sie Menschen vorübergehen, die Schritte, die gedämpften Stimmen. Wenn jederzeit jemand hätte hereinkommen können, hätte sie sich niemals so völlig ihren Gedanken überlassen, sondern sich sinnlose Entschuldigungen für ihre Anwesenheit ausgedacht.
    Was ich tue, wird Leid über andere bringen. Madame Guimard würde sich schwere Vorwürfe machen. Und Jean erst! Obwohl er von allen vielleicht noch am ehesten begreifen würde, was sie zu diesem Schritt bewog. Kunststück. Er ist der Einzige, den ich in meine Begegnung mit Rafe eingeweiht habe. Alle anderen würden denken, dass sie das Opfer eines Verbrechens geworden war. Es würde sie hart treffen, vor allem ihre Eltern. Aber vielleicht würde ihre Mutter dann endlich Mitgefühl für Rafes Eltern zeigen. Nachdem sie im Grunde erleichtert gewesen war, Rafael loszuwerden, geschah es ihr recht, dasselbe Schicksal zu erleiden. Soll sie am eigenen Leib erfahren, was mir das Herz zerrissen hat!
    Allmählich glaubte sie daran, dass sie erhobenen Hauptes in den Tod gehen konnte. Der Dämon hatte sie hier zurückgelassen, damit sie in sich gehen und sich auf ihr Opfer einstimmen konnte. Nur wenn sie von ganzem Herzen bereit war, sich für Rafael hinzugeben, würde sie ein Engel werden und ihn auf der anderen Seite wiedertreffen. In lichtem Glanz malte sie sich die Szene aus – zwei von innen heraus strahlende Gestalten in langen, weiten Gewändern, die sich bei den Händen fassten. Liebe und Dankbarkeit würden aus seinen Augen leuchten und ihr Herz vor Glück zerfließen.
    Wäre es nicht doch viel schöner gewesen, sie hätte ihn einweihen und das Ritual mit ihm teilen können? Zweifellos wäre es ihr leichter gefallen, wenn er ihre Hand gehalten und sein Blick sie bestärkt hätte. Doch Kafziels Argumente hatten sie überzeugt. Solange Rafe dazu verdammt war, Schlechtes zu tun und Gutes zu vereiteln, würde er gezwungen sein, das Opfer zu verhindern. Schlimmstenfalls konnte er das Ritual im entscheidenden Moment stören, sodass alles zum Bösen gewendet wurde. Dann würde sie einen sinnlosen Tod sterben und er ein gefallener Engel bleiben. Das Risiko durfte sie nicht eingehen. Dass ein Dämon sie zu nichts zwingen konnte, hieß nicht, dass er nicht in der Lage war, ihr etwas anzutun, sobald sie ihren Nutzen für ihn verlor. Das galt auch für Rafe – so schwer es ihr auch fiel, es sich vorzustellen.

J   ean konnte sich Besseres vorstellen als eine Wohnung mit Aussicht auf einen Friedhof, doch für selbsternannte Satanspriester mochte es erbaulich sein, jeden Tag auf Tod und Vergänglichkeit zu blicken. Er wünschte, er hätte noch einmal nach Hause eilen und die alte Armeepistole seines Onkels holen können.
    Caradec war kein Dämon, gegen den eine Kugel wenig nützte, sondern ein gefährlicher, skrupelloser Mann, der schon einige Leben auf dem Gewissen hatte. Aber dafür war keine Zeit. Gadreel hatte ihn schon in der Métro mehrfach dafür verflucht, ihm die Adresse nicht einfach verraten zu haben, und die Angst, sie könnten tatsächlich zu spät kommen, verlieh ihm Flügel, als er hinter dem gefallenen Engel her die steinerne Treppe des noblen Hauses

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