Der Kuss des Killers
nächsten Mal sind vielleicht Sie dran.«
»Ich werde jetzt zu meiner Mandantin gehen«, wiederholte er und lief mit nach wie vor kreidebleichem Gesicht aus dem Raum.
»Dieses Weib ist eindeutig verrückt«, stellte Feeney leise fest.
»Erzähl mir bitte was, was ich noch nicht weiß.«
»Sie hasst dich wie die Pest«, erklärte er, froh, wieder mit ihr zusammenarbeiten zu können, in vergnügtem Ton. »Aber auch das ist dir nicht neu. Außerdem hat sie dich verhext.«
»He?«
Er zwinkerte ihr zu. »Lass es mich wissen, wenn du die ersten Magenkrämpfe kriegst. Du machst sie eindeutig nervös.«
»Nicht nervös genug«, knurrte Eve. »Aber ich setze auf den Anwalt. Wir sollten ihn nicht mehr aus den Augen lassen. Ich möchte nicht, dass er ebenfalls als Leiche endet, bevor er sein Schweigen brechen kann. Es war die Art, in der er das Foto von Lobar angesehen hat. Erst war er schockiert, aber dann hat sein Gesicht so etwas wie Wiedererkennen ausgedrückt.« Sie schüttelte den Kopf. »Wir dürfen ihn nicht verlieren.« Mit einem fröhlichen Summen sah sie auf ihre Uhr. »Ich komme gerade noch rechtzeitig zu meinem Termin mit Nadine.«
»Du solltest deinen Hals verarzten lassen. Die Kratzer sehen wirklich bös aus.«
»Später.« Geschäftig ging sie aus dem Raum. Nadine würde die Verletzung nicht verborgen bleiben, dachte sie zufrieden. Ebenso wenig wie dem Auge der Kamera, die das Gespräch auf die Bildschirme unzähliger Haushalte übertrug.
»Was zum Teufel ist denn mit Ihnen passiert?« Nadine hörte auf, im Zimmer auf und ab zu laufen und sah auch nicht mehr auf ihre Uhr.
»Es gab ein kleines Problem bei einem Verhör.«
»Sie sind ziemlich spät dran, Dallas, in zwei Minuten gehen wir auf Sendung. Für weitreichende Verschönerungen haben Sie also keine Zeit mehr.«
»Kein Problem, fangen wir an.«
»Ton und Licht an«, befahl Nadine der Kamerafrau, zog einen kleinen Tischenspiegel hervor und puderte sich, während sie Eve gegenüber Platz nahm, ein letztes Mal die Nase. »Sieht nach einer Frau aus«, fügte sie hinzu. »Lange, spitze Nägel, vier lange, tiefe Kratzer.«
»Ja.« Eve tupfte mit dem bereits mit Blut befleckten Taschentuch an der Halswunde herum. »Wenn jemand neugierig wäre, könnte er sich danach erkundigen, wer heute zum Verhör geladen war.«
Nadine betrachtete sie mit einem durchdringenden Blick. »Das wäre sicher möglich«, erklärte sie und fügte ein »Sie haben lange nichts mehr mit Ihrem Haar gemacht« hinzu.
»Ich habe es geschnitten.«
»Ich meinte, etwas Konstruktives. In dreißig Sekunden gehen wir auf Sendung. Alles bereit, Suzanna?«
Die Kamerafrau bildete mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis. »Das frische Blut gibt ein wirklich hübsches Bild ab. Es verleiht dem Ganzen einen leicht dramatischen Touch.«
»Danke.« Eve lehnte sich zurück und legte einen ihrer Stiefel über das Knie des anderen Beins. »Fassen wir uns kurz, Nadine. Bisher habe ich nichts von Ihnen gekriegt.«
»Hier ein kleiner Vorgeschmack: Welcher in New York ansässige weiße Hexer ist der Sohn des berüchtigten Massenmörders David Baines Conroy, der fünfmal lebenslänglich ohne Möglichkeit der Begnadigung im Hochsicherheitstrakt der Strafstation Omega abzusitzen hat?«
»Wer – «
»Noch fünf Sekunden«, unterbrach Nadine, zufrieden, weil sie endlich Eves ungeteilte Aufmerksamkeit genoss, mit zuckersüßer Stimme. »Vier, drei…« Die letzten Zahlen des Countdown zeigte sie mit den Fingern und blickte bei null mit ernster Miene in die Kamera. »Guten Tag, hier spricht Nadine Fürst. Wir beginnen unser Mittagsmagazin mit einem Exklusivinterview mit der Leiterin des New Yorker Morddezernats, Lieutenant Eve Dallas.«
Eve war auf die Fragen vorbereitet. Sie kannte die Reporterin zu gut, um sich von der Information, die ihr nur wenige Sekunden vor Beginn der Sendung zuteil geworden war – wie sicher von Nadine erhofft –, aus dem Takt bringen zu lassen. Sie antwortete mit kurzen, präzisen Sätzen und wusste, dass sie die Einschaltquoten des Channel 75 mit jeder Sendesekunde weiter in die Höhe steigen ließ.
»Aufgrund der uns bisher vorliegenden Beweise gehen wir davon aus, dass es eine Verbindung zwischen den beiden Fällen gibt. Zwischen den Waffen, die an den Tatorten zurückgelassen wurden, gibt es eine große Ähnlichkeit.«
»Können Sie die Waffen genauer beschreiben?«
»Dazu kann ich nichts sagen.«
»Aber es waren Messer.«
»Es waren scharfe Gegenstände. Ich
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