Der Kuss des Killers
bin nicht befugt, Genaueres zu sagen. Ins Detail zu gehen hieße, die weiteren Ermittlungen erheblich zu gefährden.«
»Das zweite Opfer wurde zum Zeitpunkt seines Todes von Ihnen verfolgt. Warum?«
Sie war auf die Frage vorbereitet und hatte beschlossen, sie zu nutzen. »Thomas Wineburg hatte angedeutet, er hätte Informationen, die mir bei meinen Ermittlungen nützlich sein könnten.«
»Was für Informationen?«
Treffer, dachte Eve, sah Nadine jedoch absolut kühl an. »Das darf ich nicht sagen. Ich kann nur sagen, dass wir miteinander gesprochen haben, bevor er Hals über Kopf davonlief und ich gezwungen war, die Verfolgung aufzunehmen.«
»In deren Verlauf er ermordet worden ist.«
»Das ist korrekt. Es hat ihm nichts genützt, dass er davongelaufen ist.«
Verärgert, weil man ihr über den Knopf im Ohr erklärte, die Zeit wäre vorbei, brachte Nadine das Interview zum Abschluss. »Fertig. Suzanna?« Mit einer Handbewegung schickte Nadine die Assistentin aus dem Raum und wandte sich an Eve. »Und jetzt zum inoffiziellen Teil unseres Gesprächs.«
»Nein. Erst will ich was von Ihnen hören.«
»Also gut, dann.« Nadine lehnte sich zurück und schlug die wohlgeformten Beine entspannt übereinander. »Charles Forte nahm vor zwölf Jahren offiziell den Mädchennamen seiner Mutter an, nachdem sein Vater wegen des Ritualmordes an fünf Menschen verurteilt worden war. Man nimmt an, dass er noch zahllose andere Menschen auf dem Gewissen hat, aber da die Leichen nie gefunden wurden, wurde das niemals bewiesen.«
»Ich kenne die Geschichte, aber ich wusste nicht, dass er ein Kind hat.«
»Das wurde nie bekannt gegeben. Es fiel unter das Gesetz zum Schutz der Privatsphäre. Außerdem lebte die Familie damals längst von ihm getrennt. Die Mutter hatte sich bereits ein paar Jahre, bevor Baines erwischt wurde, von ihm scheiden lassen und war mit dem Kind in eine andere Stadt gezogen. Der Junge war damals sechzehn. Einundzwanzig, als sein Vater vor Gericht gestellt und verurteilt wurde. Angeblich war der Sohn an jedem Verhandlungstag zugegen.«
Eve dachte an den kleinen, unauffälligen Mann, dem sie auf Alices’ Totenwache begegnet war. Der Sohn eines Monsters. Wie viel davon war vererbbar? Sie dachte an ihren eigenen Vater und wäre um ein Haar erschaudert. »Danke. Wenn mich diese Informationen wirklich weiterbringen, bin ich Ihnen etwas schuldig.«
»Allerdings. Außerdem habe ich noch jede Menge Informationen über die diversen in New York ansässigen Sekten. Nichts, was so dramatisch wäre wie das eben Gesagte, aber vielleicht führt es ja trotzdem irgendwo hin. So, und jetzt zu Ihnen. Kann ich, wenn Sie jemanden verhört haben, der wütend genug geworden ist, um zu versuchen, Ihnen die Halsschlagader aufzuschlitzen, davon ausgehen, dass es einen Verdächtigen gibt?«
Eve studierte ihre Nägel. Sie nahm an, dass einige Menschen der Auffassung wären, sie müsste dringend zu einer Maniküre. »Dazu kann ich nichts sagen. Und Sie wissen, Nadine, dass Kameras unten bei den Arrestzellen verboten sind. «
»Was wirklich schade ist. Danke für das Interview, Dallas. Ich werde mich wieder bei Ihnen melden.«
»Tun Sie das.« In der Gewissheit, dass sich Nadine schnurstracks in Richtung des Zellentraktes begeben und dass Selinas Name noch vor Ende des Mittagsmagazins im Fernsehen kommen würde, sah Eve ihr hinterher.
Alles in allem, dachte sie zufrieden, war es kein schlechter Morgen.
Auf der Suche nach einem Erste-Hilfe-Kasten zog sie die Schubladen des Schreibtischs nacheinander auf.
15
» I ch werde es zeitlich nicht mehr nach Hause schaffen«, erklärte Eve am Link, während sie gleichzeitig die auf dem Bildschirm ihres Computers erscheinenden Informationen über David Baines Conroy überflog. »Könntest du mich so gegen sechs hier abholen? Dann könnten wir gemeinsam aufs Land zu dieser Hexenparty fahren.«
Roarke zog eine seiner eleganten Brauen in die Höhe. »Solange wir nicht deinen Wagen nehmen müssen.« Er runzelte die Stirn und winkte mit der Hand. »Komm ein bisschen näher an den Bildschirm. Was ist jetzt schon wieder los?«
»Was soll das heißen, was ist jetzt schon wieder los? Ich habe zu tun.«
»Ich meine nicht deine Arbeit, sondern deinen Hals.«
»Ach, das.« Sie berührte die immer noch blutunterlaufenen Kratzer. Den Erste-Hilfe-Kasten hatte sie nirgends gefunden. »Eine Meinungsverschiedenheit. Aus der ich als Siegerin hervorgegangen bin.«
»Natürlich. Streich ein bisschen
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