Der Kuss des Satyrs
Unterholz, stolperte Hügel hinab, stürzte immer wieder zu Boden, schleppte sich über Felder, Rasenflächen, Pflastersteine und schließlich Mosaiken. Endlich schlüpfte sie ins Kastell.
Sie eilte in ihr Zimmer und ließ sich aufs Bett fallen, ihre Gedanken überschlugen sich. Sie würde nicht aufgeben. Es stand zu viel auf dem Spiel. Sie würde von vorn anfangen müssen, ein neues Mittel finden. Sie musste es tun – um Emmas willen.
Sie konnte bei Nick bleiben, sagte sie sich, selbst mit diesem Makel. Sie hatte es vor ihm bereits so lange verheimlicht.
Aber vielleicht würde sie über kurz oder lang schwanger werden, trotz ihrer Bemühungen, es zu verhindern. Und jedes Kind, das sie zur Welt brachte, könnte ihren Makel erben, wäre zum Außenseiter geboren und aus Angst vor einer Entdeckung gezwungen, sich vor der Welt zu verstecken.
Nein! Sie durfte dieses Risiko nicht eingehen.
Sie würde fortgehen müssen. Nick verlassen. Anderswo nach Heilung suchen.
Sie rollte sich zusammen und weinte vor Schmerz wegen des bevorstehenden Verlusts.
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Kapitel 26
A ls Nick an diesem Abend ihr Schlafzimmer betrat, saß sie in einem Ohrensessel und las. Mit resignierter Gelassenheit klappte sie das Buch zu und legte es auf das Tischchen. In letzter Minute hatte sie sich ein weiteres Werk über Pflanzen aus seiner Bibliothek vorgenommen, aber seine Lektüre hatte ihr nicht die leiseste Hoffnung gelassen.
Sie wusste, was sie zu tun hatte.
Nick spazierte ruhelos im Zimmer auf und ab. Schon den ganzen Nachmittag über hatte ihn irgendetwas beunruhigt. Es war ihr nur deshalb gerade eben erst aufgefallen, weil ihre eigenen Gedanken um die Frage gekreist waren, wie sie ihm ihren Entschluss am leichtesten mitteilen konnte.
»Du bist unruhig. Was bekümmert dich?«, fragte sie.
Sein Blick war verschleiert. »Ich versuche, eine schwierige Entscheidung zu treffen. Und ich neige dazu, die Lösung zu wählen, die nicht in deinem Interesse ist. Das macht mir zu schaffen.«
»Wenn die Sache mich betrifft, warum darf ich dich dann nicht bei deiner Entscheidung unterstützen?«
Nick musterte sie. Sie war so schön und ätherisch, so anständig. Er musste sich entscheiden. Es war eine Vollmondnacht. Noch dazu eine besondere – es war der zweite Vollmond im Mai. Ein blauer Mond – so nannten das die Bauern, wenn es in einem Monat zweimal Vollmond gab.
Die Zeit war gekommen, einen Erben zu zeugen. Wie sollte er ihr das Thema am besten darlegen?
Ursprünglich hatte er vorgehabt, sie heute Nacht ohne ihr Wissen mit in den Wald zu nehmen; sie mit einem Zauberspruch zu belegen, so dass sie mitmachen, sich später aber an nichts erinnern würde. Das hatte sein Vater getan, als er seine drei Söhne gezeugt hatte. Das erwarteten seine Brüder von ihm.
Wie kam er also auf die Idee, dass er ihr die Wahl lassen sollte? Woher stammte sein Verlangen, sie heute Nacht bei vollem Bewusstsein bei sich haben zu wollen und die Ereignisse der Nacht in vollen Zügen gemeinsam mit ihr zu genießen?
Würde sie sich von ihm abwenden, wenn sie wusste, was er wirklich war? Würde sie schreiend in die Dunkelheit fliehen?
In wenigen Minuten würde er es wissen.
Jane sog seinen Anblick in sich auf und hatte Angst vor dem Moment, wenn sein Verlangen nach ihr in Ekel umschlagen würde. Vor wenigen Monaten hatte er ihr im Haus ihrer Tante eröffnet, dass er Kinder von ihr erwartete. Er hatte keinen Zweifel an seinen Absichten gelassen. Und sie hatte sich einverstanden erklärt. Er würde wütend werden, wenn er erfuhr, dass sie ihre Meinung geändert hatte.
Er würde sie auffordern zu gehen, das wusste sie. Ihn und sein Heim zu verlassen. Um Emmas willen würde sie sich dazu erniedrigen, ihn um Unterhaltszahlungen zu bitten, die ausreichten, dass sie und ihre Schwester sich woanders ein Zuhause schaffen konnten. Die Dienste, die sie ihm bisher geleistet hatte, sollten ihm so viel wert sein.
Wie sehr sie sich doch danach sehnte, einfach so mit ihm weiterzumachen, aber sie durfte es nicht. Die Kräuter, die sie jeden Morgen nahm, würden eines Tages vielleicht nicht wirken. Wenn sie heute oder in den kommenden Nächten mit ihm schlief, könnte sie schwanger werden. Schwanger mit einem Kind, das ihren Makel trug, was auch immer das war. Ihn zu verlassen war die einzige Entscheidung, die sie guten Gewissens treffen konnte. Er würde es akzeptieren müssen.
Sie öffnete den Mund, um es ihm zu sagen.
»Ich möchte dir heute Nacht ein Kind
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