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Der Kuss des Verfemten

Der Kuss des Verfemten

Titel: Der Kuss des Verfemten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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beängstigende Stille hinein knarrte plötzlich der Riegelbalken der Tür. Isabella stockte der Atem. Ihre weit aufgerissenen Augen registrierten jede Bewegung. Im Augenblick sah sie jedoch gar nichts. Die Tür öffnete sich, und der kräftige Schein der Morgensonne ergoss sich vom Fenster der Kammer bis in den Gang hinaus. In dieses goldene Leuchten hinein trat eine Gestalt mit langsamen, zögernden Schritten. Die Strahlen umfluteten ihn in blendender Helle und ließen keine Einzelheiten erkennen. Doch Isabella erkannte die goldenen Blitze auf Martins blondem Haar, nahm die wohlvertraute Gestalt mit den kräftigen Schultern, schmalen Hüften und muskulösen Beinen wahr. Ihre Lippen zitterten. Mit einem Aufschluchzen warf sie sich ihm entgegen.
    »Martin!«
    Sie fiel geradewegs in de Cazevilles Arme.
    »Nein, Hoheit«, knurrte er. Seine Hände hielten sie wie mit eisernen Klammern fest, und sein Griff schmerzte. »Geht in die Kirche beten, aber lasst ihn in Ruhe. Noch seid Ihr nicht sein!«
    »Was ist mit ihm?«, fragte sie angstvoll.
    Er schob Isabella zurück zu den Wartenden. Eine Antwort sparte er sich. In seinen schwarzen Augen lag wieder dieser allwissende Spott. Wie hatte es Martin sieben Tage mit ihm allein ausgehalten?
    Die Augen der Leute hefteten sich auf Martin, der jetzt langsam, mit einem unsicheren Lächeln im Gesicht, aus der Kammer heraus auf den Gang trat. Rudolf ging ihm als Erster entgegen und legte seine Hände auf Martins Schultern.
    Martin nickte ihm zu. »Ich bin genesen«, flüsterte er. »Es ist ein Wunder!« So leise er auch sprach, die Umstehenden hatten seine Worte verstanden und drängten sich nun mit aller Macht um ihn. Sie betasteten ihn, streichelten seine Arme und Schultern, betrachteten mit ungläubigen Gesichtern seine Hand.
    »Ein Wunder!«, riefen sie ein ums andere Mal.
    Gundram drängte sich rücksichtslos durch die Menschen und blieb vor Martin stehen. Er blickte ihm ins Gesicht, dann auf seine Hand. Mit einer heftigen Bewegung riss er ihm das Hemd von der linken Schulter und starrte mit dümmlichem Entsetzen auf den zu einem dünnen Strich verheilten Schwerthieb, den er Martin eigenhändig beigebracht hatte.
    »Das geht nicht mit rechten Dingen zu!«, brüllte er und warf sich auf den Absätzen herum. Doch de Cazeville war in der allgemeinen Aufregung verschwunden.
    *
    Seite an Seite schritten Isabella und Martin durch den Mittelgang der Kirche auf den Altar zu. Für einen kleinen Augenblick beherrschte beide die gleiche Illusion: Isabella trug ihr Hochzeitskleid, Martin seine Prunkrüstung. Und vorn am Altar wartete der Bischof auf sie, um sie zu trauen. Sie fühlten die Nähe des anderen, die ihnen Kraft und Zuversicht spendete.
    Sie ließen sich auf die Knie nieder und senkten die Häupter in tiefer Demut und Dankbarkeit. Isabella murmelte ein leidenschaftliches Gebet, in das sie all ihre aufgewühlten Emotionen legte. Hinter ihnen hatten sich alle anderen, unter ihnen Mathilda, Rudolf, Patrick und Jakob, niedergekniet und sprachen Gott ihren heißen Dank für Martins wundersame Heilung aus.
    Nur Martin allein wusste, dass es etwas gänzlich anderes war, dem er seine Heilung zu verdanken hatte, etwas, das er nicht in Worte fassen konnte. Es ängstigte und faszinierte ihn zugleich, und vor seinem inneren Auge sah er wieder das schmale, gebräunte Gesicht des Fremden, seine glühenden, bezwingenden schwarzen Augen und den kraftvollen Willen, den er ausstrahlte. Und er spürte die Energie, die ihm dieser Mann in die Muskeln geleitet hatte. Er fühlte sich stark und vital, und seine Gedanken kreisten bereits um den bevorstehenden Zweikampf. Er hob seinen Blick empor zu dem schlichten Holzkreuz, das durch die bunten Scheiben des Rosenfensters in die Farben des Regenbogens getaucht wurde.
    »Allmächtiger Gott! Jetzt, wo meine Stunde der Prüfung gekommen ist, richte mich! Lass die Menschen wissen, ob ich schuldig oder unschuldig bin!«
    Er bekreuzigte und erhob sich. Auch die anderen beendeten ihr Gebet und wandten sich zum Gehen.
    Isabella schaute Martin von der Seite her verstohlen an. Die scharfe Warnung des schwarzen Mannes hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Sie unterdrückte das heftige Verlangen, sich in Martins Arme zu werfen, die Süße seiner Lippen zu kosten und seinen Herzschlag zu spüren. Liebevoll streichelten ihre Augen ihn, und er spürte den Blick. Mit einem kleinen, verlegenen Lächeln hob er die Lider zu ihr auf.
    »Wie hat er das gemacht?«, zischte sie

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