Der Kuss des Verfemten
den Augen strahlte. Sie beneidete Mathilda und wünschte, dass sich ihr eigenes Schicksal ebenfalls in diese Richtung wenden würde. Doch vorläufig zitterte jede Faser ihres Körpers um den geliebten Mann. Und die Angst war noch lange nicht ausgestanden! Selbst wenn das Wunder wirklich geschehen sollte und Martin genesen würde, so stand immer noch der Zweikampf bevor, der einem von beiden den Tod bringen würde!
Am Morgen des siebten Tages erhob sie sich mit schmerzenden Gliedern von ihrem Bett. Tiefe Ringe lagen unter ihren Augen, und ihre sonst so helle Haut wies rote Flecken auf. Eine leichte Übelkeit hatte sie befallen. Ihr Herz klopfte heftig und schmerzhaft. Sie fürchtete sich vor dem Augenblick, wenn sich die Kammertür öffne würde.
»Ihr müsst etwas zu Euch nehmen, Prinzessin«, mahnte Rosamunde. Sie blickte auf das Tablett mit Isabellas Frühstück, von dem sie nichts angerührt hatte.
»Mir ist übel«, klagte Isabella und warf sich wieder in ihre Kissen. »Die Angst um Martin bringt mich fast um.«
Rosamunde nickte mitleidig. »Wir alle bangen um Ritter Martin«, sagte sie und tätschelte Isabellas Hand. »Einige stehen bereits vor der Kammertür, aber bislang hat sich nichts getan.«
»Wo ist Mathilda?«, fragte Isabella. Sie brauchte dringend die Unterstützung ihrer Freundin. Allein würde sie diesen Tag nicht überstehen. Mathilda war so stark geworden, stark durch ihre Liebe.
Isabella mochte Rudolf, und sie fand, dass die beiden wirklich ein schönes Paar waren. Doch jetzt benötigte sie etwas von Mathildas Stärke. Allein fand sie nicht die Kraft.
»Sie kommt gleich, wir haben schon nach ihr schicken lassen«, erwiderte Rosamunde. Margarete legte Isabella ihr Kleid zurecht.
Verzagt blickte die Prinzessin darauf. »Es ist viel zu schön«, sagte sie. »Ich möchte ein schlichtes Kleid tragen.«
»Glaubt Ihr denn nicht an Ritter Martins Heilung?«, fragte Margarete schüchtern.
»Dann muss man an ein Wunder glauben. Es ist unmöglich, dass diese Wunden innerhalb von sieben Tagen heilen. Selbst wenn dieser unheimliche Fremde Martin nicht inzwischen längst getötet hat, so steht ihm doch noch der Zweikampf mit Gundram bevor. Und du weißt selbst, was Gundram für ein ausgezeichneter Kämpfer ist. Ich habe ihn gesehen, auf der alten Burg, wie er Martin …« Ihre Stimme stockte bei der Erinnerung an das schreckliche Geschehen. »Ich habe jeden Tag gebetet, Gott um ein Wunder angefleht.« Sie sank vor ihrem Bett auf die Knie. »Lieber Gott, lass es geschehen!«
Margarete und Rosamunde knieten sich neben ihre Herrin und fielen in das inbrünstige Gebet ein. So fanden sie Sieglinde und Mathilda, als sie die Tür öffneten.
»Willst du Martin im Nachthemd begrüßen?«, fragte Mathilda. »Was? Wie?« Isabella sprang auf. »Ist er schon …?«
Mathilda schüttelte den Kopf. »Nein, aber es wird bald so weit sein. Zumindest ist der Turnierplatz schon vorbereitet.«
Isabella presste ihre Hände auf ihr wild klopfendes Herz. »Ich habe Angst«, sagte sie mit zitternder Stimme.
»Wir bangen alle«, erwiderte Mathilda und blickte Isabella fest an. »Aber noch mehr braucht Martin unsere Gebete und unsere Zuversicht.«
»Du hast recht«, seufzte Isabella und ließ sich von Margarete ankleiden. Dann liefen sie eilig hinüber zu der kleinen Kammer, wo sich schon etliche Leute versammelt hatten. Sie murmelten leise und aufgeregt. Selbst Gundram mit seinen Männern lungerte im Gang vor der Kammer herum. Isabella würdigte ihn keines Blickes.
»Hat sich da drinnen etwas geregt?«, fragte Isabella den Wachsoldaten.
»Nein, Herrin«, antwortete der Mann.
Etwas ratlos blickte Isabella sich um. Am liebsten hätte sie die Kammer durch die Wachen stürmen lassen. Sie atmete bereits ein, um den Befehl zu geben, als ein sanfter, aber bestimmter Druck auf ihrer Schulter ihr Einhalt gebot. Es war Rudolf. Seine braunen Augen blickten auf sie herab, und Isabella begriff plötzlich, warum Mathilda diesen Mann liebte. In seinem Blick las sie Sanftmut und Entschlossenheit, Klugheit und Liebe, Verständnis und Willensstärke.
»Zerstört nicht im letzten Augenblick, was mühsam errungen wurde«, sagte er mit seiner angenehmen Baritonstimme und blickte Isabella eindringlich an. Sie senkte den Kopf und nickte beklommen. Dann griff sie nach Mathildas Hand und hielt sie umklammert. Gemeinsam starrten sie mit angehaltenem Atem auf die Tür.
Eine geraume Weile verging, ohne dass sich etwas rührte. In die
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