Der Kuss des Verfemten
kein Hindernis.«
»Er lebt ja noch«, erwiderte de Cazeville achselzuckend.
»Nicht mehr lange«, knurrte Gundram.
Über de Cazevilles Gesicht flog ein spöttisches Grinsen, während er seinem schwarzen Hengst den Sattel auflegte. »Ihr seid Euch sehr sicher.«
»Noch einmal lasse ich ihn nicht lebend davonkommen. Diesmal werde ich mich überzeugen, dass er wirklich tot ist. Eure ganze Mühe um ihn war leider umsonst.«
De Cazeville hob wieder die Achseln. »Wenn Ihr meint«, sagte er lakonisch. Mit geschmeidiger Eleganz schwang er sich auf das Pferd. Er blickte vom Pferderücken auf Gundram herab. »Ich muss mich von Euch verabschieden.«
»Ihr verlasst die Burg?«
»Nein, ich verlasse Euch!« Für einen kurzen Augenblick versenkte er seinen Blick in Gundrams Augen, und er sah darin die Gunillas. Als müsse er sich diese Augen für sein ganzes Leben einprägen, sog er den Anblick in sich auf. Dann wendete er sein Pferd und ritt zum Burgtor hinaus. Mit einem flauen Gefühl im Magen blickte Gundram ihm nach.
Der schwarze Hengst flog über die Wiesen wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Seine Hufe schienen kaum den Boden zu berühren, die Luft blähte seine Nüstern. Sein schwarz gekleideter Reiter beugte sich weit über den Hals des herrlichen Tieres und vereinte sich vollkommen mit dessen Bewegung. Sein Umhang wehte im Wind und schien dem Pferd gleichsam Flügel zu verleihen. Erst als die Bäume des Waldes sie umfingen, richtete Rupert de Cazeville sich auf und ließ sein Pferd in den Schritt fallen. Mit den singenden Vögeln als einzige Begleitung wirkte er wie auf einem gemächlichen Tagesausflug. Er lehnte sich im Sattel zurück, streckte die Beine und gab die Zügel nach. Doch sein Gesicht blieb undurchdringlich, seine schwarzen Augen waren blicklos.
Plötzlich straffte sich sein Körper, seine lässige Haltung wich einer gespannten Aufmerksamkeit. Und dann wandte erden Kopf und blickte über seine Schulter zurück. Seine Augen sahen nur die Bäume des Waldes, seine Sinne aber erfassten den Mann, der in diesem Augenblick im Sand der Arena starb.
*
Rudolf blickte mit gemischten Gefühlen zum Turnierplatz. Für das Gottesurteil war der kleinere Platz neben den Stallungen ausgewählt worden. Keine bunten Fahnen schmückten das Karree, keine Zelte für die Zurüstung der Ritter waren aufgebaut. Und keine prächtig gekleideten Damen saßen auf den Logenplätzen. Was sich hier in wenigen Augenblicken abspielen sollte, hatte nichts mehr mit der Zurschaustellung von ritterlichem Mut, Kampfeskraft und Gewandtheit zu tun, wenngleich auch dies dafür wichtig war. Es ging um Leben und Tod. Und alle waren sich sicher, dass beide Seiten kämpfen würden bis zum Letzten. Es war ein Krieg, bei dem es nur einen Gewinner geben konnte.
Patrick hielt Martins Pferd, während Jakob und Rudolf bei Martins Zurüstung behilflich waren. Sie standen unter den Bogengängen, hinter denen die Pferdeställe lagen, und legten Martin die Rüstung an. Es war nicht seine Prunkrüstung, die sich noch auf der Burg befand, die jetzt Gundram gehörte. Aber die Rüstung, die der Schmied in Tag- und Nachtarbeit fertiggestellt hatte, war Martin auf den Leib geschmiedet. Sie gehörte zu ihm wie eine zweite Haut, wie ein Panzer, der ihn vor Gundrams tödlichen Hieben schützen sollte.
Doch Martin wusste auch, dass er sich nicht allein auf die Rüstung verlassen konnte. Sie ließ ihm genügend Bewegungsfreiheit, um wirkungsvoll angreifen oder ausweichen zu können. Martin kannte Gundrams Kampfstil. Er würde sich sehr in Acht nehmen müssen.
Und sie staunten nicht schlecht, als Gundram in seiner Prunkrüstung zum Turnierplatz stolzierte. Auf seinem blinkenden Helm wippte ein roter Federbusch wie der Schwanz eines Hahnes. Alles an Gundram funkelte und blitzte. Doch Martin erkannte auch, dass diese Rüstung ihn wie einen Sarkophag umschloss. Sie würde ihn beim Kämpfen behindern! Gundram musste wirklich sehr siegessicher sein!
Beide Kontrahenten saßen auf ihre Pferde auf und ritten in das Geviert ein. Vor der Loge, in der der Herzog und Isabella saßen, parierten sie ihre Pferde durch und verneigten sich.
»Ritter Martin von Treytnar, Ritter Gundram von Oxensal, hiermit nimmt Gott als oberster Richter die Gerechtigkeit in seine Hand. Ihr werdet kämpfen auf Leben und Tod«, sprach der Herzog.
»Auf Leben und Tod!«, erwiderten die beiden Ritter.
»Und Ihr werdet keine Gnade üben und keine Gnade annehmen!«
»Keine Gnade!«, erscholl
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