Der Kuss des Verfemten
im Kriegsdienst zu Pferd, vollgerüstet, mit all Euren eigenen Vasallen vom Stande eines Ritters. Euer Platz ist im Rat der einundzwanzig weisen Ritter, die mir in Kriegszeiten mit ihrem Schwert, in Friedenszeiten mit ihrem Rat zur Seite stehen.« Es waren fast die gleichen Worte der Mannschaft, die der alte Herzog zwei Tage zuvor zu Martin gesprochen hatte. »Und mein Geschenk an Euch und Eure junge Frau ist die Ausrichtung einer Hochzeitsfeier, bevor Ihr mit Mathilda in die Burg zurückkehrt.«
Mathilda riss die Augen auf und warf sich neben Rudolf auf den Boden des Rittersaales. »Mein Herzog, mein Herz ist voller Dankbarkeit ob Eurer Güte«, schluchzte sie und lachte und weinte gleichzeitig.
Isabella hielt es nicht mehr auf ihrem Platz. Sie sprang zu Mathilda herab und zog sie an sich. »Aber nicht doch, Mathilda, du schadest deinem Kind«, flüsterte sie ergriffen, und ihre Augen wurden feucht. Sie trat mit Mathilda etwas beiseite, denn der Akt der Belehnung war noch nicht ganz abgeschlossen. Der Bischof ließ Rudolf auf die heilige Reliquie schwören, und dann tat Martin etwas, das auch die Ritter bislang noch nicht gesehen hatten. Er trat auf Rudolf zu und küsste ihn auf beide Wangen. Rudolf wusste genau, woher Martin dieses Ritual kannte. Richard Löwenherz hatte auf diese Weise auf dem Kreuzzug seine Mannen zu Rittern geschlagen. Die Sitte war in Aquitanien und England bereits üblich.
Die Umstehenden murmelten aufgeregt, und dann erscholl lautstarker Beifall. Die Ritter des Rates gratulierten Rudolf und nahmen ihn in ihre Mitte auf.
»Und um die höfische Kultur wieder aufleben zu lassen, werden wir die Hochzeit von Ritter Rudolf mit Mathilda gleichzeitig dazu nutzen, dass alle Edlen, die sich der Minne und der Dichtkunst verschrieben haben, ihr Können unter Beweis stellen. Mit dem Schwert haben wir nun genug gekämpft, kämpfen wir mit unserem Geist und unseren Stimmen! Unser Kaiser Heinrich sei das Vorbild, der höchstpersönlich die wunderschönen Verse ersann:
Mir sint diu rich und diu lant untertan;
Swenne ich bei der mineclichen bin;
Und swenne ich gescheide von dan
so ist mir al min gewalt und min richtoum dahin.
Wan senden Kumber, den zelle ich mir danne ze habe;
Sus kann ich an vröuden stigen uf unt ouch abe,
unt bringet den wehsel, als waine, durch ir Liebe ze grabe.«
Ergriffen lauschten alle den gefühlvoll vorgetragen Versen. Isabella sah plötzlich Martin als Troubadour in seinem blauweißen Gewand, mit der Laute in der Hand, als er ihr damals in der Weinlaube das zu Herzen gehende Lied gesungen hatte. Für einen Augenblick wünschte sie sich, wieder allein mit ihm zwischen den duftenden Büschen zu sitzen und seiner angenehmen Stimme zu lauschen. Doch der neu aufbrandende Jubel riss sie jäh aus ihren Träumen. Sie lächelte tapfer und unterdrückte die kleine Schwäche, die sich ihrer bemächtigen wollte.
*
»Da wirst du mich also bald verlassen«, sagte Isabella und blickte ein wenig wehmütig auf Mathilda, die in ihrem Brautkleid wunderschön aussah. Isabella hatte das Gefühl, dass Mathilda vor lauter Glück von innen strahlte wie ein Glühwürmchen.
»Rudolf drängt, das Lehen in Augenschein zu nehmen. Du weißt ja, dass Gundrams Schreckensherrschaft viel Leid und Zerstörung über die Dörfer gebracht hat. Er will sie wieder aufbauen lassen. Die Bauern sollen auf ihre Höfe zurückkehren und in Frieden ihre Felder bestellen. Ja, und auf der Burg muss er wohl auch noch einiges ausmisten. Gundram hat seine Getreuen durchgefüttert, die ihn bei seinem schändlichen Tun unterstützten.«
»Wäre es dann nicht besser, du würdest hierbleiben, bis euer Kind geboren ist?«
Mathilda schüttelte energisch den Kopf. »Mein Platz ist an Rudolfs Seite. Ich werde mit ihm gehen. Und ich fürchte mich nicht. Ich habe mich nicht mehr gefürchtet, seit ich bei ihm bin.«
Isabella nickte und schob ihren Teller zurück. Sie blickte seufzend über die Festtafel, an der herzhaft geschmaust wurde.
»Nimm es dir doch nicht so zu Herzen«, versuchte Mathilda sie zu trösten. »Ich wäre gern hiergeblieben. Aber es ist auch wichtig, dass Rudolf seine Pflichten wahrnimmt. Und nun iss doch von diesem herrlichen Hirschbraten, er ist dem Koch vortrefflich gelungen.«
Isabella rümpfte die Nase. »Mein Magen ist wie zugeschnürt. Ich glaube, die ganze Aufregung der letzten Zeit hat mir etwas zu sehr zugesetzt. Es war ein Auf und Ab der Gefühle, dass mir noch jetzt ganz schwindlig ist.« Sie griff
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