Der Kuss des Verfemten
zögerte er und hätte sein Instrument am liebsten in die Büsche geworfen. Warum quälte er sich, sie anzuschauen, ihr Lieder zu singen und ihr zu huldigen? Sie würde niemals die Seine werden können! Einer dieser kraftstrotzenden, eingebildeten Ritter würde ihre Hand erhalten, sie würde ihm viele hübsche Kinder gebären und gütig neben ihm das Land regieren, wenn der alte Herzog das Zeitliche segnete. War es das, was er wollte? Nein, er wollte seine Ehre wiedererlangen! Er wollte rehabilitiert werden, freigesprochen von dem schändlichen Verdacht, Hand an den Kaiser gelegt zu haben. Es gab genug Zeugen, die für Martins Unschuld hätten sprechen können. Doch wollten sie es überhaupt? Martin hatte einige Ritter wiedererkannt, die damals mit ihm Seite an Seite über das Taurusgebirge gezogen waren. Jetzt lechzten sie alle nach Isabellas Hand. Keiner würde darauf verzichten, um sich stattdessen auf Martins Seite stellen, um dem Herzog einen Irrtum nachzuweisen. Was wollte er eigentlich hier?
»Wie ist Euer Name?«, fragte Isabella.
»Ritter Ma… Michael von Drachenfels, edle Prinzessin«, antwortete er.
Michael? Hieß nicht so der Sohn der Wirtsleute, dieser hübsche Liebhaber mit dem teuflischen Horn an seinen Lenden? Isabellas Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
»Was erheitert Euch so daran, Prinzessin?«, fragte der Sänger.
»Oh, es war nur die Erinnerung an einen nächtlichen … äh .. .
Traum.« Sie neigte den Kopf. »So singt denn, Herr Ritter, Euer Lied zu unserer Freude.«
Martin kniete nieder und zupfte sanft über die Saiten seiner Laute. In einem wohlklingenden Bariton begann er zu singen:
»In einem Lande ferne
gewachsen ist ein Kind,
vom holden Licht der Sterne
von Anmut singt der Wind;
sie zählte sechzehn Maien
der König so befand,
sie sollte nunmehr freien
des stolzen Ritters Hand.
Da sprach der König weise
es soll zu Ehren sein,
ihr Gäste, auf die Weise
kämpft um mein Töchterlein.
Sie suchten aus den Schreinen
manch liebliches Gewand,
aus zartem, dünnem Leinen
und fein gesticktem Band.
So mancher junger Recke
wünschte heut so sehr,
gefalle zu dem Zwecke
der edlen Dame hehr.
So kriege er zum Lohne
der Dame zarte Hand,
dem König als sein Sohne
dem König in sein Land.
Da trat die Dame holde
gar vor die Ritter Schar.
das Kleid war ganz von Golde
so golden wie ihr Haar.
Die Wangen Morgenröte
die Augen Himmelsschein,
dass mancher Ritter böte
der Liebste ihr zu sein.
Sie hoben ihre Lanzen
zum Streit um ihre Gunst,
als wollten sie nur tanzen
im Rausche ihrer Brunst.
Es brachen viele Schilde
und mancher ehern Speer,
im Kampfgetümmel wilde
verfehlte seine Ehr’.
Am Ende kniet der Sieger
vor seiner holden Maid,
ein abgekämpfter Krieger
in einem blutig Kleid.
Das Kampfspiel war vergangen
der Ritter wollt den Lohn
für sein gerecht Verlangen
doch erntete er Hohn.
Die edle Dame lachte
und wandte sich ihm ab,
ihr Auge jedoch machte
was ihr das Herz eingab.
Sie liebte einen Ritter
doch nicht, der vor ihr kniet.
Für ihn war es so bitter
verstummt war auch sein Lied.
Erzürnt packt er die Maide
und warf sie ins Verlies,
in ihrem goldnen Kleide
wo er sie darben ließ.
Kein Ritter jemals sehnte
sich nach dem schönen Kind,
weil Hochmut sie entlehnte
wo Helden wahrhaft sind.
Im Kerker sie nun weinte
um ihren Ritter lieb,
der sich mit ihr nicht einte
und in der Ferne blieb.
So ward der Held zum Traume
einer Prinzessin hold,
die sich nicht hielt im Zaume
und keine Ehre zollt.
Moral von dieser Märe
das bedenket hier,
Liebe oder Ehre
haltet nun dafür.
Des Ritters reine Liebe
begrub sie in ihr Herz,
dass ihr der Tod nur bliebe
sie starb in tiefem Schmerz.«
Einige Augenblicke lauschte Isabella den Klängen seines Liedes nach. Sie bedauerte, dass es zu Ende war, denn die wohltönende Stimme des Sänger verursachte in ihr einen wonnigen Schauder. Doch noch mehr ergriff sie der Wortlaut des Liedes.
»Es ist so traurig«, flüsterte sie. »Warum fand ihre Liebe keine Erfüllung?«
Er lächelte. »Fand sie doch. Es war eine Liebe bis in den Tod.«
»Ich finde es trotzdem traurig. Sehnt sich nicht jeder danach, glücklich zu werden?«
Er erhob sich, ohne ihr zu antworten, und entfernte sich unter mehreren Verbeugungen. Isabella seufzte und schaute ihm mit sehnsüchtigem Blick nach.
»Was für ein Mann!«, stöhnte Margarete. Rosamunde lachte und klopfte freundschaftlich auf Isabellas Arm. »Wenn Ihr ihn nicht nehmt, dann nehme ich ihn!«
»Oh, es
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