Der Kuss des Verfemten
vernünftig, sich mit Isabella zu arrangieren, vielleicht hatte sie dann leichtere Hand und konnte ohne Aufsehen die Gemächer betreten. Auf den ersten Blick konnte sie die kleine Truhe nicht entdecken, aber sie hatte auch nicht erwartet, dass sie offen herumstehen würde. Sie wurde bestimmt verschlossen in einem der großen Schreine aufbewahrt, und es brauchte Zeit, diese ungestört zu durchsuchen. Sie schauderte einen Moment, als sie daran dachte, dieser unheimliche Fremde würde sie wieder zwingen, ihm zu Willen zu sein.
Sie setzte sich zu Isabella und verzog dabei das Gesicht. »Habt Ihr Schmerzen?«, fragte Isabella.
»Nein, nein«, wehrte Gunilla ab und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich bin nur etwas … einsam.«
»Inmitten dieses Trubels?«, fragte Isabella erstaunt.
Gunilla nickte. »Mein Gatte weilt schon seit einem Jahr in Italien. Nun, für eine verheiratete Frau ziemt es sich nicht, allein zu lustwandeln.«
»Das verstehe ich. Aber warum sucht Ihr Euch nicht einen Ritter, der Euch beschützt und Euch bei dieser Gelegenheit in aller Ehre begleitet?«
Gunilla senkte den Blick. »Ich bin nicht mehr so jung und frisch wie Ihr, Prinzessin.«
»Oh, aber Ihr seid sehr schön!«, widersprach Isabella und streichelte bewundernd über Gunillas nachtschwarzes Haar. »Und eine schöne zarte Haut habt Ihr auch und einen schönen … verzeiht, das schickt sich nicht!« Sie errötete.
Gunilla lachte. »Ihr schmeichelt mir, Prinzessin.«
In einer plötzlichen Anwandlung ergriff Isabella plötzlich Gunillas Hände. »Ihr seid eine erfahrene Frau, Gunilla. Bald werde auch ich eine Ehefrau sein. Ehrlich gesagt, ein wenig bange ist mir schon davor. Ich meine, das mit dem … na ja, wenn man nach der Hochzeit bei seinem Gatten liegt …« Isabella stockte und schlug die Augen zu Gunilla auf, die sie mit wachsender Verwunderung anschaute. »Ich weiß nicht, mit wem ich sonst darüber sprechen soll. Meine Zofen sind ja selbst noch alle Jungfrauen und, außer Mathilda, noch jünger als ich. Sie haben von diesen Dingen keine Ahnung. Ihr dagegen …«
Gunilla war in sich zusammengesunken und starrte auf den Fußboden, als sähe sie dort schreckliche Abgründe. »Es ist notwendig, um Kinder zu bekommen«, sagte sie brüsk.
»Nun, das weiß ich«, erwiderte Isabella. »Doch ist es … unangenehm?«
»Eigentlich nicht. Manchmal kann es sogar schön sein.« Sie schwieg wieder. »Habt Ihr einen bestimmten Grund, danach zu fragen?«
»Ich denke viel darüber nach, wie es sein wird. Tut es weh?«
»Nur beim ersten Mal.« Gunilla stockte, und ihr Gesicht wurde fahl. Ein heftiger Schmerz durchfuhr sie und bescherte ihr gleichzeitig ein erschreckendes Gefühl niederer Lust. »Lasst Euch doch einfach überraschen!«, rief sie übertrieben heiter. Sie erhob sich und wanderte in den Gemächern umher. Die Hände auf dem Rücken verschränkt, gab sie sich betont entspannt. Dabei fieberte jede Faser ihres Körpers. Je eher sie diese verfluchte Truhe fand, umso eher würde sie ihren Peiniger los sein! Ein zweites Mal würde sie diese Demütigung nicht ertragen. Bisher hatte sie sich selbst die Männer ausgesucht, die ihr zu Willen sein mussten!
»Schöne Gemächer bewohnt Ihr mit Euren Damen«, sagte sie mit gleichmütiger Stimme.
»Ja, es sind die Räume meiner verstorbenen Mutter. Zu meinem Geburtstag sollen mir alle ihre Sachen übergeben werden, die sie mir persönlich hinterlassen hat.«
»Ah, dann wisst Ihr also gar nicht, was sie Euch hinterlassen hat?«, fragte sie lauernd.
Isabella hob erstaunt die Augenbrauen. »Nein! Ist das von Bedeutung?«
»O nein! Überhaupt nicht. Es sind sicher persönliche Dinge, denn die Ländereien gehören ja Eurem Vater.«
»Mein Gatte wird aber einige Ländereien als Mitgift von mir bekommen, und irgendwann wird er der Herzog sein.«
»Ich weiß«, sagte Gunilla. »Glücklich wird der sein, der den Sieg und damit Eure Hand erringt.«
»Das will ich meinen. Euer Bruder ist ja auch dabei!«
»Das stimmt. Er ist ein enger Vertrauter Eures Vaters. Verzeiht mir, wenn ich meinem Bruder Glück für das Turnier wünsche.«
Isabella lächelte milde. »Natürlich! Vielleicht gehören wir bald zur selben Familie.« Dann musste sie an Gundrams entstelltes Gesicht denken, und ein leises Unbehagen befiel sie. Doch was konnte Gunilla dafür? Sie war hübsch, und auch Gundram sah nicht schlecht aus. Und außerdem, was hatte Schönheit mit der Fähigkeit zu tun, ein Land zu regieren?
Sie blickte
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