Der Kuss des Werwolfs - 1
Nola durch die Dunkelheit davon. Für sie sah alles gleich aus, er fand seinen Weg mühelos. Die beiden Frauen folgten ihm. Lady Ianthe hatte sich verwandelt und lief erstaunlich geschickt auf drei Beinen. Nach kurzer Zeit gesellte sich Brandon wieder zu ihnen. Die Wolkendecke riss für einen Moment auf, ließ den Mond durchscheinen, und für diesen kurzen Augenblick meinte Nola, Blut auf Brandons Lippen zu sehen. Die Bedeutung von Derenskis Worten wurde ihr schlagartig klar. Sie waren wilde Bestien. Sie musste fort von ihnen. Nola strampelte, biss dem Krakauer in die Hand.
Er gab ihr eine Ohrfeige. »Ruhig, meine Liebe, oder wollen Sie gefesselt und geknebelt werden? Dass Menschen nie wissen, wann sie verloren haben.« Er fletschte die Zähne.
Nola erstarrte schlagartig und machte sich auf seinem Arm klein. Ihr kam in den Sinn, dass Beten gegen Werwölfe helfen könnte, aber sie bezweifelte, dass ihre Worte im Himmel Gehör fanden, weil sie noch nicht einmal Weihnachten zur Kirche ging und das letzte Mal als Kind gebetet hatte.
Weiter und weiter trabten die Werwölfe mit ihr. Ihre Kräfte schienen unerschöpflich. Als sie endlich anhielten, standen sie vor einem Turm, einem sogenannten Broch. Im Gegensatz zu dem in der Nähe von Shavick Castle war dieser intakt und aus einer Fensteröffnung schimmerte Licht. Vier Gestalten warteten vor dem Eingang. Drei Männer und eine Frau in Hosen. Derenski stellte Nola wie ein Gepäckstück ab.
»Wohin haben Sie mich gebracht?«, fuhr Nola den Rudelführer an und hoffte, ihre Angst war ihrer Stimme nicht anzuhören. »Der Earl of Shavick wird nicht eher ruhen, bis er mich gefunden hat.«
»Das hoffe ich. Mein ganzer schöner Plan beruht darauf, dass er Sie findet. Aber nicht zu früh. Ludmilla, kümmere dich um unseren Gast. Sie soll präsentabel hergerichtet sein, wenn der Schotte kommt.«
»Ich spiele nicht die Zofe für die da.«
Kälte kroch unter Nolas Umhang. Dass die Nächte im März noch so kalt sein konnten! Sie zog den Umhang enger um sich. Um nichts in der Welt wollte sie weiter zwischen den Werwölfen stehen. »Was soll das? Wollen Sie ein Fest veranstalten?«
»Die Menschin hat Humor. Für uns wird es ein Fest werden, für Monroe … «
Derenski redete auf Polnisch weiter, die Männer antworteten aufgeregt, keiner achtete auf Nola. Sie rannte um den Broch herum, kümmerte sich nicht um die Kälte an ihren Füßen. Hinter dem Broch gab es nichts, wo sie sich verstecken konnte. Sie ließ sich auf den Boden fallen, verbarg sich unter dem Umhang -wenigstens war er dunkel. Sie musste sich auf ihre Schnelligkeit verlassen und darauf, dass die Nacht sie verbarg. Steine und Dreck missachtend, robbte sie weg vom Broch. Sie zwang sich, nicht an die Krabbeltiere zu denken, die sich im Gras verbergen mochten.
Hinter sich hörte sie einen Augenblick nichts - mit ihrer Flucht hatten die Bestien offenbar nicht gerechnet. Dann setzten polnische und englische Flüche ein, sie hörte eilige Schritte.
Derenski schrie: »Igor!«
Jäh wurde Nola gepackt und auf die Füße gezogen. Sie trat nach ihrem Widersacher, traf auch, aber es war, als hätte sie gegen einen Stein getreten. Die Wolkendecke riss einen Augenblick auf, und im Mondlicht erkannte sie ein breites, slawisches Gesicht, ein wölfisches Grinsen.
»Ruhig, Lady. Der Rudelführer hat gesagt, er braucht Sie, also kann ich Sie nicht entkommen lassen. Seien Sie artig, dann muss ich nicht grob werden.«
Sie spuckte nach ihm, verfehlte ihn - leider.
Derenski, Antonia und Brandon kamen um den Broch herum.
»Ah, Igor, du hast sie.« Derenski wandte sich an Nola. »Sie sollten wissen, meine Liebe, dass ein Mensch uns nicht entkommen kann. Wir sehen in der Nacht so gut wie am Tag, und unser Geruchssinn lässt uns eine Spur so leicht finden, als hätten sie einen Ariadnefaden ausgelegt. Monroe scheint ihnen nicht viel über uns beigebracht zu haben. Kommen Sie.« Er bot ihr den Arm, als ständen sie nicht als Feinde im Nirgendwo, sondern in einem Ballsaal.
Seine höfliche Geste täuschte sie nicht darüber hinweg, dass Maksym Derenski wütend war - extrem wütend. Als sie ihm den Arm nicht geben wollte, packte er zu und zog sie auf die andere Seite des Brochs.
In dem mittelalterlichen Turm warteten bereits Brandon, Ianthe und die beiden polnischen Frauen. In eisernen Wandhaltern steckten zwei rußende Fackeln, die Nolas Augen sofort tränen ließen. Mit dem Handrücken wischte sie über ihr Gesicht.
Rhodry wachte davon
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