Der Kuss des Werwolfs - 1
daran. Shavick Castle ragte als düstere Silhouette hinter ihnen auf. Schnell wurde sie kleiner. Nola war dem Werwolf ausgeliefert.
Er sprintete mit ihr durch den Park zum See und am Ufer entlang. Die Burg war fast nicht mehr zu erkennen, dafür wartete hinter einem Felsen eine Kutsche, schwarz, kein Wappen an der Tür, die Kutschlaternen nicht angezündet. Brandon öffnete den Wagenschlag, und in diesem einen winzigen Moment konnte er ihr nicht seine ganze Aufmerksamkeit widmen. Sie zog einen Ring vom Finger, einen schmalen Goldreif, ließ ihn durch die Falten des Umhangs hindurch zu Boden gleiten. Brandon stieß sie ins Innere der Kutsche, stieg selbst ein und schlug die Tür zu. Gleich darauf ruckte das Gefährt an. Im halsbrecherischen Tempo ging es vorwärts. Bis in den Wagen hinein hörte Nola das Schnauben der Pferde.
Eine Laterne wurde angezündet, sie schwankte wild hin und her. Das Licht enthüllte Pawel Tworek auf der gegenüberliegenden Sitzbank. Das war nicht der Werwolfjäger, korrigierte sie sich, das war der Werwolf Maksym Derenski. Neben ihm saß eine Frau, die sie in London als Antonia Tworeka gekannt hatte. Sie hatte sich an den Werwolf gelehnt, beide waren offenbar sehr vertraut miteinander. Als blasser Schatten saß außerdem noch Lady Ianthe in einer Ecke.
»Sie«, stieß sie hervor.
»Willkommen, Lady Eleonore«, sagte Derenski mit polnischem Akzent und höflich, wie sie ihn aus London kannte. Es war gespenstisch mit jemandem zu reden, den sie in der Zukunft gekannt hatte.
»Lassen Sie mich gehen.«
Nola griff nach dem Wagenschlag. Brandons Hand schoss vor, umklammerte ihren Unterarm. Die Knochen wurden schmerzhaft zusammengedrückt.
»Ich kann Sie nicht schutzlos in die Nacht hinausgehen lassen. Wenn Ihnen was zustieße, ich könnte es mir nie verzeihen. Es ist besser, Sie bleiben hier. Darf ich Ihnen meine Seelenpartnerin Antonia Derenska vorstellen, Lady Ianthe kennen Sie ja bereits.«
Nola brachte möglichst viel Abstand zwischen sich und die Werwölfe und machte sich auf der Bank so klein wie möglich. Ihre Gedanken rasten.
»Sie haben mich entführt. Bringen Sie mich sofort zurück. Das wird ein Nachspiel für Sie haben. Der Earl of Shavick wird das nicht auf sich beruhen lassen.« An Ianthe gerichtet fuhr sie fort: »Sie sind eine Verräterin. Warum - ist es wegen Ihres …« Sie schaute dorthin, wo der linke Fuß der Werwölfin hätte sein sollen.
»Was wissen Sie schon«, schnaubte die als Antwort, doch mied dabei Nolas Blick.
»Wie können Sie das tun? Rhodry ist fair zu allen.«
Auf die Werwölfe machten ihre Worte keinen Eindruck. Derenski lachte sogar trocken auf.
»Monroe ist ein rückgratloser Köter. Diesmal werde ich ihn und die Schotten endgültig vernichten. Sie sind der Köder, Mylady. Der gute Brandon und Lady Ianthe werden mir dabei helfen.«
Er klopfte gegen die Kutschenwand — ein Signal für den Kutscher. Die Pferde fielen in Galopp, und die Kutsche schwankte noch heftiger. Gleich stürzen wir um, dachte Nola, und dann — hoffentlich — kann ich ihnen entkommen.
Die Kutsche stürzte nicht um, sondern jagte weiter durch die Nacht. Mit jedem Meter, den sie sich weiter von Shavick Castle entfernte, sank Nolas Mut.
Die Werwölfe redeten nicht mehr mit ihr, sie genossen ihren Triumph. Sie war ihnen wie eine dumme Göre in die Falle gegangen und brachte alle in Gefahr. Allen voran Rhodry, Eugene, Moira, den treuen Dalton.
Sie konnte sie nicht einmal warnen, oder? Rhodry hatte sie durch Raum und Zeit hindurch erreicht. Wenn sie das auch könnte… Nola konzentrierte sich. Sein Bild stieg vor ihr auf, streng und arrogant wie auf dem Gemälde im Vormittagssalon. Dahinter war Leere. Sie strengte sich mehr an und mühte sich gleichzeitig, entspannt auszusehen, damit die Werwölfe keinen Verdacht schöpften.
»Wir sind da.« Derenski packte sie am Oberarm.
Nola schrak zusammen. Die Kutsche hatte angehalten, und sie wurde hinausgestoßen. Sie stolperte und wäre beinahe gestürzt, im letzten Moment konnte sie sich abfangen. Wütend presste sie die Zähne aufeinander und mühte sich, ihre Umgebung zu erkennen. Sie war mitten im Nirgendwo gelandet, kein Licht deutete auf eine bewohnte Gegend. Und sie hatte nichts mehr, was sie unauffällig fallenlassen konnte.
Derenski schlang seinen Arm um ihre Taille, hob sie mühelos hoch. »Sie erlauben, Mylady.« Eine Antwort wartete er nicht ab, sondern sagte zu Brandon: »Kümmere dich um den Kutscher.«
Er rannte mit
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