Der Lambertimord
abgezogen. Wie ein Verschwörer hat er die Fotos aus seiner Brieftasche gezogen. Hätte nur noch gefehlt, daß er sich dabei noch nach allen Seiten umgesehen hätte, um ja zu verhindern, daß auch andere seine Tochter zu sehen bekommen. Ein komischer Kauz.«
»Das ist doch nichts Ungewöhnliches für einen Vater, daß er stolz ist auf seine Tochter, wäre ich auch.«
»Du hättest mal seinen Blick sehen sollen. Wie er die Fotos angesehen hat, so sieht kein Vater die Bilder seiner Tochter an. Richtig gierig, als habe er sie noch nie vorher angesehen. Dabei muß er die Fotos oft ansehen haben, denn sie waren regelrecht abgegriffen. Wenn er mit seinem Gerede fertig war, ist er dann abrupt aufgestanden, hat gezahlt und ist grußlos verschwunden.«
»Josef, was willst du mir damit sagen?«
Sein Schulfreund holte wieder das Tuch hervor und begann, es in seinen Händen zu kneten. »Ich will niemanden verdächtigen. Aber nach allem, was die Leute reden, was in den Zeitungen gestanden hat, und nachdem ich mir so meine Gedanken gemacht habe, vielleicht, vielleicht hat van den Hövel was mit seiner Tochter gehabt? Das ist kein stolzer Vater, der mir nur nette Schnappschüsse seines Kindes gezeigt hat.« Josef sah Frank schüchtern an.
»Das ist ein schwere Beschuldigung, die du da vorbringst, weißt du das? Hast du mit jemanden darüber gesprochen?«
Josef hatte den Kopf eingezogen wie ein geprügelter Hund. »Nein, habe ich nicht. Ich wollte es doch auch nur dir alleine erzählen. Deshalb habe ich auch den Beamten nichts erzählt. Habe ich jetzt etwas falsch gemacht? Ist eine dumme Geschichte, die ich dir da erzählt habe, was? Vergiß’ sie einfach, bitte. Tut mir leid.«
Frank legte beschwichtigend seine rechte Hand auf Josefs Unterarm. »Beruhige dich. Ist schon gut, daß du mir das erzählt hast. Vielleicht hast du mit deiner Vermutung ja nicht ganz unrecht. Wir werden van den Hövel fragen.«
Josef zuckte zurück. »Laß’ mich bloß da raus. Wenn das bekannt wird, daß ich van den Hövel zu Unrecht beschuldigt habe, dann kann ich einpacken. Mein Chef wird mich rauswerfen. Und im Dorf kann ich mich dann auch nirgends mehr blicken lassen.«
»Mach’ dir keine Sorgen, Josef. Ich werde dich da raushalten. Das verspreche ich dir. Wir werden van den Hövel auf den Zahn fühlen – wenn wir ihn haben. Denn noch ist er spurlos verschwunden.«
Josef sah ihn erschrocken an. Seine Augen wirkten noch größer »van den Hövel ist weg? Geflüchtet?«
»Ich will mal so sagen, es wundert uns schon, daß er weg ist. Aber wir werden ihn aufspüren. Früher oder später. Und dann muß er reden. Bis dahin – kein Wort zu irgend jemandem von unserem Gespräch. Kann ich mich darauf verlassen?« Frank nahm die Lederjacke vom Hocker und zog sein Portemonnaie.
»Laß’ stecken.« Josef nahm mit beiden Händen die Tasse vom Tresen und stellte sie ins leere Becken. »Du kannst dich auf mich verlassen.«
Frank verabschiedete sich und verließ die Spielhalle. Josef war nach Wilfried Kreuels nun schon der zweite, der ihm von dem auffallend innigen Verhältnis zwischen Vater und Tochter van den Hövel erzählt hatte. Strenggenommen gehörte auch Christa Böskes dazu, die auch von dem netten Miteinander der beiden erzählt hatte.
Frank schlug den Kragen hoch. Es schneite immer noch leicht. Trotz der beißenden Kälte ging er langsam die Straße hinunter Richtung Lambertiturm. Die Luft tat ihm gut. Er war sich sicher, daß er nun das Motiv kannte.
XXXII.
Frank drehte die Anlage weit auf. Ihm war nach hartem Blues-Rock und nicht nach Sonny Terry oder Mississippi John Hurt. Was er brauchte, war Red House, gespielt von Joe Satriani, Eric Johnson und Steve Vai: fast zehn Minuten Hendrix. Der Meister hätte seine helle Freude an der Version gehabt.
Zum ersten Mal seit Wochen hatte Frank das Gefühl, ausgeschlafen zu sein. Er war gutgelaunt aufgewacht. Nach einer ausgiebigen Dusche hatte er sich ein ebenso ausgiebiges Frühstück gegönnt. Zuvor hatte er allerdings auf der Dienststelle Bescheid gesagt, daß er später kommen würde. Da die Fahndung nach van den Hövel bisher ergebnislos verlaufen war und sie weiter nichts tun konnten als warten, wollte er die Zeit nutzen, um in seiner Wohnung etwas zu tun.
Als er sich beim Frühstück allerdings in seiner Küche umgesehen hatte, war ihm die Lust auf Staubsaugen vergangen. So schlimm sah es nun doch nicht aus. Kommt Zeit, kommt Staubsauger, dachte er vergnügt und blätterte in der
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