Der Lambertimord
von der Theke. »Ich weiß ja nicht, aber der Tod von Heike geht mir nicht aus dem Kopf. Sie war ein nettes Mädchen.« Er verbesserte sich. »Sie war eine hübsche junge Frau. Und nun ist sie schon beerdigt. Wer kann so etwas getan haben?«
»Warst du im Rathaus, nur um mir diese Frage zu stellen?«
»Also, ja, ich meine, nein. Nicht nur. Also ich habe dich gesucht, weil ich mir Gedanken gemacht habe.«
»Worüber hast du dir Gedanken gemacht?«
Sein Freund sah verlegen zur Seite. »Na, über den alten van den Hövel und seine Tochter.«
»Mensch, Josef, mach’s nicht so spannend.«
»Ich kann mich nicht so ausdrücken. Nachher habe ich was Falsches gesagt, und ich bekomme nur Ärger. Deshalb habe ich auch nur mit dir sprechen wollen. Weil ich hoffe, daß du mich verstehst.«
Frank sagte nichts. Statt dessen zog er seine Lederjacke aus und legte sie über die Lehne des Nachbarhockers. Dabei nickte er Josef aufmunternd zu.
»Also, ich habe dir ja schon gesagt, daß van den Hövel oft hier war und gespielt hat. Manchmal hat er stundenlang vor einem der Geräte gesessen und keinen Ton gesprochen. Ich glaube, daß es ihm beim Spielen nicht ums Gewinnen ging, sondern eher darum, sich abzulenken. Ich weiß nicht, wovon, aber er wirkte so abwesend, drückte manchmal scheinbar wahllos die Tasten. Er hatte auch nicht ein Lieblingsgerät wie die anderen Spieler. Er kam meist rein, grüßte kaum oder gar nicht und fing an zu spielen. Dabei hat er manchmal viel Geld verloren. Aber er hat sich nichts anmerken lassen.«
»Du meinst, er war kein Spieler?«
»Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß richtige Spieler anders sind. Sie vergessen zwar auch alles um sich herum, sind aber dabei so konzentriert, als wollten sie eins mit der Maschine sein, um sie dann besiegen zu können. Als wenn sie dazu jemals eine Chance hätten. Sie können nur verlieren.«
»Du hast keine Achtung vor diesen Typen, nicht?«
»Nein. Wie kann man seine Zeit, sein Leben so verschwenden? Im Grunde sind das arme Schweine, auf der Jagd nach dem großen Glück, das sie doch nie erreichen werden.«
Frank dachte, daß das nicht nur auf Spieler zutrifft. Er war genauso auf der Jagd. Auf der Jagd nach dem Täter, nach dem Glücksgefühl, das er nach dem Geständnis eines Verdächtigen empfand. Er war auf der Jagd nach Liebe und Anerkennung, und das schon seit seiner Kindheit. Schließlich war er auf der Jagd nach seinem inneren Frieden. Ecki war auf der Jagd, und bestimmt war auch van den Hövel auf der Jagd. »Und van den Hövel kam oft?«
»Besonders nach dem Tod seiner Frau. Zunächst hatte ich das Gefühl, er wollte den Schmerz über ihren Tod vergessen. Heute glaube ich, daß es etwas anderes sein mußte. Ich kann sowieso überhaupt nicht verstehen, daß so ein Mann wie van den Hövel hierher kommt. Der hat doch alle Möglichkeiten. Bei seinem Geld und seinen Freunden braucht der doch nicht das billige Vergnügen. Er kann doch ins Spielcasino nach Aachen fahren, wenn er unbedingt spielen will. Oder er kann sich anders ablenken, Urlaub machen, oder was auch immer.« Josef hatte mit dem Wischen aufgehört und den Lappen unter der Theke verschwinden lassen.
»War er in den vergangenen Tagen mal hier?«
»Nein. Ich habe ihn länger schon nicht mehr gesehen.«
»Was meinst du damit, es muß etwas anderes sein ?« Frank schob die leere Kaffeetasse zur Seite.
»Wie gesagt, ich habe in den vergangenen Wochen lange über van den Hövel nachdenken müssen. Und dann ist es mir eingefallen. Wenn van den Hövel mit dem Spielen fertig war, hat er immer noch einen Kaffee getrunken. Dabei hat er mir immer von seiner Tochter erzählt. Was für ein nettes Kind sie sei, immer brav und folgsam. Nie hätten sie Streit. Immer käme ein liebes Wort über ihre Lippen, egal, was er ihr zumute. Er sei mehr als ein Vater für sie. So ein Verhältnis zwischen Tochter und Vater gebe es nicht noch einmal auf der Welt. Und das er es nie ertragen könnte, wenn Heike mal einen Mann kennenlernen und ihr Elternhaus verlassen würde. Er hat sich dann förmlich in einen Rausch geredet. Manchmal ging das über eine halbe Stunde. Dabei hat er mir Fotos gezeigt. Es waren immer die gleichen Fotos. Fotos, als Heike noch klein war. Heike auf der Schaukel mit fliegendem Röckchen, Heike als kleines Mädchen nackt in der Badewanne. Heike als junges Mädchen im Badeanzug und noch andere. Er hat mir die Fotos nur hingehalten, anfassen durfte ich sie nicht. Er hat jedesmal eine Show
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