Der Lambertimord
jungen Mann, der mit hängenden Schultern ängstlich zwischen den Einsatzkräften hin und her sah. Seine Arme hatte er schützend vor seinen Körper gezogen. Er trug eine dicke wattierte Jacke, dazu schmutzige Jeans und Gummistiefel. Auf dem Kopf hatte er eine dunkelblaue Schlägerkappe, die auch schon bessere Zeiten gesehen hatte. Seine Haare waren ungekämmt. Und eine Dusche konnte er wohl auch gebrauchen. Er wirkte nicht älter als Anfang bis Mitte zwanzig.
»Wir haben ihn weiter hinten in einem kleinen Verschlag in der Halle mit den Anhängern gefunden. Er hatte sich dort im Dunkeln hinter ein paar alten Matratzen versteckt.«
Hofmanns Stimme klang nüchtern und dienstlich. Dabei konnte der große kräftige Blonde mit den kurzen Haaren wirklich witzig sein. Frank wußte, daß Hofmann gerne und viel lachte und immer zu Späßen aufgelegt war. Besonders wenn es darum ging, seinen Kollegen einen Streich zu spielen. Aber im Moment war er einfach der Hauptkommissar, der den unspektakulären Einsatz auf dem Gelände des Obsthofs in Nettetal-Kaldenkirchen leitete, und dessen Leute gerade eine männliche Person entdeckt hatten.
Als sie die Wartenden erreicht hatten, deutete Hofmann auf den Unbekannten. »Er spricht offenbar kein Deutsch. Das wirre Zeug kann ich nicht verstehen. Klingt nach Russisch oder Polnisch.«
Bei dem letzten Wort horchte der Mann vor ihm auf. »Polak, Polak.« Er hob erklärend die Hände und sah Frank an. Offenbar hielt er Frank für den Chef der Gruppe. Der junge Mann wiederholte »Polak, Polak.«
Frank sah ihn prüfend an. »Bringen wir ihn erst mal ins Warme.«
Frank ging voraus. Jürgen Hofmann bedeutete dem Unbekannten, der immerzu das Wort »Polak« wiederholte und dabei auf sich zeigte, Frank zu folgen. Zu seinen Kollegen gewandt, deutete der Hauptkommissar mit einer ausladenden Handbewegung auf das große Firmengelände: »Was steht ihr hier herum? Sucht weiter. Vielleicht finden wir ja noch mehr Polen. Sichert den Verschlag. Ich denke, daß die Spusi sich das Ganze ansehen sollte.« van den Hövel war von seinem Schreibtisch aufgestanden. Seine dunkelgrüne Trachtenjacke stand offen. Sie schien ihm nicht mehr so recht zu passen. Offenbar hatte er in den vergangenen Tagen an Gewicht verloren. Sein unrasiertes Gesicht wirkte blaß und eingefallen. Er schien körperliche Schmerzen zu haben. Sein Atem ging schwer. Irritiert sah er zwischen den beiden Polizeibeamten und dem jungen Polen hin und her. »Wer ist dieser Mann?«
»Heißt das, Sie kennen ihn nicht? Unsere Kollegen haben ihn weiter hinten in einem Verschlag gefunden. Ich denke, Ihre Arbeiter kommen schon seit Jahren regelmäßig zu Ihnen auf den Hof.«
Frank zog einen Stuhl herbei und bedeutete dem verängstigten Polen, sich zu setzen. Der junge Mann folgte der Aufforderung nur zögernd. Seine wollene Schlägerkappe hatte er abgenommen und drehte sie nervös in den Händen.
»Nein, ich sehe ihn jetzt zum ersten Mal.« Toni van den Hövel herrschte den nun am ganzen Leib zitternden Mann an: »Was machen Sie auf meinem Gelände? Wer hat Ihnen erlaubt, mein Firmengelände zu betreten? Antworten Sie! Wer sind Sie?«
Ecki schaltete sich ein: »So geht das nicht, Herr van den Hövel. Beruhigen Sie sich. Die Fragen stellen wir.«
»Er wird dich nicht verstehen«, antwortete Frank. »Offenbar ist er Pole und versteht kein Deutsch.« Frank sah van den Hövel an. »Holen sie Ihren Vorarbeiter, wenn Sie einen haben. Der soll übersetzen.«
Wie auf ein Stichwort erschien in der Bürotür ein Mann in Arbeitskleidung.
»Entschuldigen Sie, Herr van den Hövel. Entschuldigen Sie vielmals. Ich muß Ihnen etwas erklären.« Der Mann sprach langsam und mit polnischem Akzent. »Das ist mein Neffe Stanislaw. Ich weiß, daß das nicht richtig ist. Aber ich habe ihn mitgebracht, aus Dobra. Wir haben ihn im Bus versteckt, an der Grenze, als wir das letzte Mal aus der Heimat kamen. Er sollte nur ein paar Tage hier bleiben. Er wollte nach Amsterdam und dort Arbeit suchen.«
Der Mann schwieg, als hätten ihn die wenigen Sätze viel Kraft gekostet. van den Hövel sah seinen Vorarbeiter wütend an. »Lech, wie konntest du mir das antun? Wie lange kennen wir uns schon? Zehn Jahre, zwölf? Du weißt, was das bedeutet. Du kannst deine Sachen packen. Ich will dich hier nicht mehr sehen.«
»Ist das ihr Vorarbeiter?« Frank stand noch immer neben Ecki.
»Ja«, zischte van den Hövel mit wütendem Blick auf Lech. »Nein, er war mein Vorarbeiter.« van
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