Der Lambertimord
bestimmt bis Mittag zu tun haben.«
»Muß das sein? Ich bekomme um elf Uhr Besuch aus Frankreich. Was soll der Kunde denken, wenn er hier überall Polizei sieht?«
Frank wurde ungeduldig. »Sagen Sie ihm einfach, daß wir den Mörder von Ihrer Tochter Heike suchen.«
van den Hövel schluckte schwer. »Wann kann ich mein Kind beerdigen?«
»Die Untersuchungen sind fast abgeschlossen. Ich denke, daß Sie in ein, zwei Tagen Bescheid bekommen.« Frank versuchte einen beruhigenden Ton. van den Hövel setzte sich an seinen Schreibtisch und stützte seinen Kopf auf seine Hände. Seufzend schloß er die Augen. Woran mochte er denken, fragte sich Frank. Woran denkt ein Vater, wenn er das Bild seiner toten Tochter vor Augen hatte? Das muß grausam für ihn sein, dachte Frank, van den Hövel sah in seiner Erinnerung sicher auch Bilder aus Heikes Kindheit. Er muß sicher das lachende Gesicht der Tochter vor Augen haben, sie seinen Namen rufen hören, ihre kleinen Arme um seinen Hals spüren. Ihre Wärme. Bei diesen Gedanken mußte auch Frank schlucken.
Ecki hatte van den Hövel die ganze Zeit beobachtet. Ein gebrochener Mann. Wie ein hilfloses Bündel hockte der Firmenchef hinter seinem Schreibtisch. Dessen wuchtige Ausmaße ließen van den Hövel noch kleiner und hilfloser wirken. Ein alter hilfloser Mann.
»Wie steht es eigentlich mit Ihren polnischen Saisonarbeitern?«
»Wie meinen Sie das?« Nur langsam hob Toni van den Hövel seinen Kopf, so als käme er nur mit Mühe aus einer anderen Welt zurück. »Ich weiß nicht, was Sie mit Ihrer Frage wollen? Was ist denn mit meinen Arbeitern?« van den Hövel sah Ecki fragend an.
Ecki sah scheinbar gelangweilt aus dem Fenster: »Ich will nur die Frage beantwortet haben: wie steht es eigentlich mit Ihren Saisonkräften?« van den Hövel suchte nach Worten: »Ich weiß nicht. Ich meine, sie kommen schon seit Jahren, regelmäßig. Was sollen sie mit dem Tod von Heike zu tun haben? Viele von ihnen haben Heike schon als junges Mädchen gekannt. Nein, das kann nicht sein. Die Polen haben Heike gemocht.«
»Eben.« Ecki sah weiter stur aus dem Fenster.
van den Hövel wurde immer nervöser. »Was meinen Sie damit? Wir haben im Schnitt ein Dutzend Männer beschäftigt. Sie haben alle gültige Papiere. Sie brauchen das Geld. Sie wissen doch, in Polen gibt es für sie nicht genug zu verdienen. Sie sind fleißig und wissen, was sie hier zu tun haben. Sie machen immer die gleiche Arbeit. Auf die Männer kann ich mich verlassen. Absolut. Nein, nein. Ich habe alle angemeldet und sie sind gute Menschen. Sie gehören fast zur Familie.«
Ecki sah Frank an. Auch Frank hatte van den Hövel beobachtet. Der Mann war ihm ein Rätsel. Warum stellte er sich so schützend vor seine Saisonarbeiter? Wenn meine Tochter tot wäre, würde ich alles daran setzen, den Täter zu finden. Mir wäre kein Gedanke zu abwegig, keine Möglichkeit zu abstrus, dachte Frank. Andererseits: van den Hövel war offenbar der Unternehmer alter Schule, der immer auch an seine soziale Verantwortung dachte. Er wollte gerade van den Hövel danach fragen, als die Bürotür aufging.
»Frank, kommst du mal?«, fragte Hauptkommissar Jürgen Hofmann, der den Einsatz leitete und den Kopf zur Tür hereingesteckt hatte.
Frank folgte ihm. Auch Toni van den Hövel war mit fragendem Blick aufgestanden, um sich den beiden anzuschließen.
»Sie bleiben hier.« Ecki hielt den Besitzer des Obsthofs zurück. »Lassen Sie die beiden. Sie kommen ohne Sie aus. Setzen Sie sich wieder. Sie können mir derweil mal Ihre Firmenunterlagen zeigen. Wie geht denn das Geschäft? Außerdem wollte ich schon immer mal wissen, was man gegen die ganzen Würmer in meinem Kirschbaum machen kann. Jedes Jahr habe ich sie in den Süßkirschen. Auch im Pflaumenbaum werde ich diese Viecher einfach nicht los.«
Draußen auf dem Hof schlug Frank den Kragen seiner Lederjacke hoch. Es war immer noch nicht heller geworden, ein trüber, kalter Tag. In nicht ganz drei Wochen war Weihnachten auch schon wieder vorbei, dachte er. Keine schönen Aussichten. Zumal er nicht wußte, ob er dienstfrei haben würde und mit wem er die Feiertage verbringen würde. Lisa. Ach, Lisa, dachte Frank mit einem Blick in den grauen Niederrheinhimmel, was soll nur aus uns werden?
Jürgen Hofmann ging schweigend mit ihm quer über den Hof in Richtung der rückwärtigen Hallen. Dort warteten bereits mehrere Polizeibeamte vor einer Hallentür. In ihrer Mitte sah Frank einen schmächtigen
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