Der Landarzt (German Edition)
beigetragen. Stets munter, immer unterwegs, immer tätig, wird er von den Leuten des Bezirks ›der Fresser‹ genannt.«
Kaum hatte Benassis diese Worte beendigt, als eine junge, gut gekleidete Frau mit einer hübschen Haube, in weißen Strümpfen, einer seidenen Schürze, einem rosa Kleide – ein Anzug, der ein bißchen an ihren ehemaligen Kammerfrauenberuf erinnerte – die leichtvergitterte Tür, die in den Garten führte, öffnete und, so schnell es ihr Zustand erlauben mochte, herbeieilte; doch die beiden Reiter gingen ihr entgegen. Madame Vigneau war tatsächlich eine hübsche, ziemlich rundliche Frau mit gebräuntem Gesicht, dessen Haut aber weiß sein mußte. Obwohl ihre Stirn einige Falten bewahrte, Spuren ihrer früheren Not, hatte sie einen glücklichen und einnehmenden Gesichtsausdruck.
»Monsieur Benassis,« sagte sie in schmeichelndem Tone, als sie ihn stehenbleiben sah, »wollen Sie mir nicht die Ehre erweisen und sich einen Augenblick bei mir ausruhen?«
»Sehr gern,« antwortete er, »kommen Sie, Rittmeister.«
»Die Herren müssen's recht warm haben! Wollen Sie ein bißchen Milch oder Wein? – Monsieur Benassis, kosten Sie doch den Wein, den mein Mann so lieb gewesen ist, für meine Niederkunft zu besorgen! Sie sollen mir sagen, ob er gut ist.«
»Sie haben einen braven Mann zum Gatten.«
»Ja, mein Herr,« antwortete sie ruhig, indem sie sich umdrehte, »ich hab' es sehr gut getroffen.«
»Wir wollen nichts genießen, Madame Vigneau; ich wollte nur sehen, ob Ihnen kein böser Zufall begegnet ist.«
»Nichts,« sagte sie. »Sie sehen, ich war im Garten mit Krauten beschäftigt, um etwas zu tun zu haben.«
In diesem Augenblicke kamen die beiden Mütter, um Benassis zu sehen, und der Karrenführer blieb unbeweglich im Hofe stehen, an einer Stelle, die ihm den Arzt zu sehen erlaubte.
»Lassen Sie sehn, geben Sie mir Ihre Hand,« sagte Benassis zu Madame Vigneau.
Er fühlte der jungen Frau mit gewissenhafter Aufmerksamkeit den Puls, indem er sich sammelte und in Schweigsamkeit verharrte. Während dieser Zeit studierten die drei Frauen den Major mit jener naiven Neugierde, die zu zeigen Landleute sich durchaus nicht schämen.
»Sehr gut,« rief der Arzt fröhlich.
»Wird sie bald niederkommen?« riefen die beiden Mütter.
»Zweifelsohne diese Woche. – Ist Vigneau unterwegs?« fragte er nach einer Pause.
»Ja, mein Herr,« antwortete die junge Frau, »er beeilt sich, seine Geschäfte zu erledigen, um während meiner Niederkunft zu Hause bleiben zu können, der liebe Mann!«
»Auf, meine Kinder, frohes Gedeihen! Fahrt fort, Vermögen zu erwerben und Kinder zu kriegen.«
Genestas war voller Bewunderung für die Sauberkeit, die im Innern dieses fast verfallenen Hauses herrschte. Als er des Offiziers Erstaunen sah, sagte Benassis zu ihm:
»Nur Madame Vigneau versteht einen Haushalt so sauber zu halten. Ich wollte, daß manche Leute aus dem Flecken kämen und hier Unterricht nähmen.«
Die Frau des Ziegelbrenners wandte den Kopf errötend weg; die beiden Mütter aber ließen auf ihren Gesichtern all das Vergnügen strahlen, das ihnen des Arztes Lobsprüche bereiteten, und alle drei begleiteten ihn bis zu dem Platze, wo die Pferde standen.
»Nun,« sagte Benassis, sich an die beiden Alten wendend, »Sie sind jetzt wohl recht glücklich! Möchten Sie nicht Großmütter sein?«
»Ach, reden Sie mir nicht davon,« sagte die junge Frau. »Sie machen mich ganz wild. Meine beiden Mütter wollen einen Jungen, mein Mann wünscht sich ein kleines Mädchen: ich glaube, es wird mir recht schwer werden, sie alle zu befriedigen.«
»Doch Sie, was wünschen Sie sich?« fragte lachend Benassis.
»Ach ich, Monsieur, ich will ein Kind haben.«
»Sehen Sie, sie ist schon Mutter,« sagte der Arzt zu dem Offizier, indem er sein Pferd beim Zügel nahm.
»Leben Sie wohl, Monsieur Benassis,« sagte die junge Frau. »Meinen Mann wird es recht betrüben, nicht dagewesen zu sein, wenn er erfährt, daß Sie hier waren.«
»Hat er nicht vergessen, mir meine tausend Ziegel nach der Grange-aux-Belles zu schicken?«
»Sie wissen doch, daß er alle Aufträge aus dem Bezirke hintansetzen würde, um Ihnen zu dienen. Ach, sein größter Kummer ist's, Ihnen Ihr Geld abnehmen zu sollen; doch ich sag' ihm, daß Ihre Taler Glück bringen, und das stimmt.«
»Auf Wiedersehn!« sagte Benassis.
Die drei Frauen, der Fuhrknecht und die beiden Arbeiter, die aus den Werkstätten herausgekommen waren, um den Arzt zu sehen,
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