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Der Landarzt (German Edition)

Der Landarzt (German Edition)

Titel: Der Landarzt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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passive Melancholie einer verkümmerten Pflanze zu sehen; heute wende ich bei einem solchen Anblick stets die Augen ab. Mein Kinderschmerz war das vage Vorgefühl meiner Mannesschmerzen; eine Art Sympathie zwischen meiner Gegenwart und einer Zukunft, die ich instinktiv in jenem vegetalen Leben wahrnahm, das vor der Zeit sich dem Ziele zuneigt, dem Bäume und Menschen entgegengehen!«
    »Als ich Ihre Güte sah, dachte ich mir schon, daß Sie gelitten hätten!«
    »Sie begreifen, mein Herr,« fuhr der Arzt, ohne auf Genestas' Worte zu entgegnen, fort, »daß von der Fosseuse sprechen, von mir sprechen heißt. Die Fosseuse ist eine auf fremden Boden versetzte Pflanze, aber eine Menschenpflanze, die fortwährend von traurigen oder tiefen Gedanken, die sich gegenseitig vervielfachen, verzehrt wird. Das arme Mädchen leidet beständig. Bei ihr tötet die Seele den Körper. Könnte ich wohl eine schwache Kreatur, welche die Beute des größten und am wenigsten gewürdigten Unglücks ist, das es in unserer egoistischen Welt gibt, kühlen Herzens ansehen, wenn ich ein Mann und Leiden gegenüber stark, mich allabendlich versucht fühle, mich zu weigern, die Last eines ähnlichen Unglücks zu tragen? Vielleicht würd' ich mich sogar weigern ohne einen religiösen Gedanken, der meinen Kümmernissen den Stachel nimmt und süße Illusionen in meinem Herzen verbreitet. Auch wenn wir nicht alle Kinder ein und desselben Gottes wären, würde die Fosseuse noch meine Schwester im Leiden sein!«
    Benassis preßte die Flanken seines Pferdes und riß den Major Genestas mit fort, wie wenn er sich fürchtete, die angefangene Unterhaltung in diesem Tone weiterzuführen.
    »Mein Herr,« fuhr er fort, als die Pferde wieder nebeneinander trabten, »die Natur hat das arme Mädchen sozusagen für den Schmerz erschaffen, wie sie andere Frauen für das Vergnügen erschaffen hat. Wenn man derartige Prädestinationen sieht, muß man notgedrungen an ein anderes Leben glauben. Alles wirkt auf die Fosseuse: wenn graues und trübes Wetter herrscht, ist sie traurig und ›weint mit dem Himmel‹; das ist ihr eigener Ausdruck. Sie singt mit den Vögeln; sie beruhigt sich und wird mit dem Himmel heiter; endlich wird sie an einem schönen Tage schön. Ein zarter Duft ist ein beinahe unerschöpfliches Vergnügen für sie. Einen ganzen Tag über sah ich sie nach einem jener Regenmorgen, welche die Seele der Blumen öffnen und dem Tage unsagbare Frische und Glanz verleihen, den Duft genießen, den Reseden ausströmten; mit der Natur, mit allen Pflanzen hatte sie sich entfaltet. Wenn die Atmosphäre drückend und elektrisierend ist, hat die Fosseuse Beschwerden, die nichts beruhigen kann; sie legt sich ins Bett und klagt über tausend verschiedene Leiden, ohne zu wissen, was ihr fehlt. Wenn ich sie frage, antwortet sie mir, ihre Knochen würden weich und ihr Fleisch löse sich in Wasser auf. Während solcher leblosen Stunden fühlt sie das Leben nur durch das Leiden; ihr Herz ist ›außerhalb von ihr‹, um Ihnen noch eines ihrer Worte anzuführen. Manchmal hab' ich das arme Mädchen weinend beim Anblicke gewisser Bilder überrascht, die in unseren Bergen beim Sonnenuntergange sichtbar werden, wenn viele und prachtvolle Wolken sich über unseren goldenen Berggipfeln vereinigen. ›Warum weinen Sie, meine Kleine?‹ fragte ich sie. – ›Ich weiß es nicht,‹ antwortete sie mir; ›ich bin wie von Sinnen, wenn ich das da droben betrachte, und ich weiß vor lauter Sehen nicht, wo ich bin.‹ – ›Aber was sehen Sie denn?‹ – ›Ich kann es Ihnen nicht sagen.‹ Dann möchten Sie sie den langen Abend über noch soviel fragen, Sie würden von ihr nicht ein einziges Wort hören; sie würde Ihnen gedankenvolle Blicke zuwerfen oder mit feuchten Augen, schweigsam, sichtlich gesammelt, verharren. Ihre Sammlung ist so tief, daß sie sich mitteilt; wenigstens wirkt sie dann auf mich wie eine mit Elektrizität überladene Wolke. Eines Tages hab' ich sie mit Fragen bedrängt, ich wollte sie mit aller Gewalt zum Sprechen bringen und sagte ihr einige allzu lebhafte Worte; – ja, mein Herr, da brach sie in Tränen aus. In anderen Augenblicken ist die Fosseuse froh, artig, lachlustig, lebhaft und geistreich; sie plaudert mit Vergnügen und äußert neue, originelle Gedanken. Uebrigens ist sie unfähig, sich irgendeiner fortlaufenden Arbeit zu widmen: wenn sie in die Felder geht, bleibt sie ganze Stunden über mit dem Ansehen einer Blume beschäftigt, betrachtet das

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