Der Landarzt (German Edition)
besser?« fragte sie, dem Arzte folgend.
»Aber nein; Ihr habt seinen Zustand dadurch, daß Ihr ihm zu essen gabt, verschlimmert. Kann ich Euch denn nicht überzeugen, Halsstarrige, die Ihr seid, daß man Leute, die Diät halten müssen, nichts essen lassen darf? – Die Bauern sind unverbesserlich!« fügte Benassis, sich an den Offizier wendend, hinzu. »Wenn ein Kranker einige Tage über nichts gegessen hat, meinen sie, er muß sterben und füllen Suppe und Wein in ihn hinein. Dies unglückliche Weib hier hat ihren Mann beinahe umgebracht!«
»Meinen Mann mit einem armseligen, in Wein getauchten kleinen Zwieback umbringen!«
»Gewiß, liebe Frau. Ich bin erstaunt, ihn noch am Leben zu finden nach dem eingetauchten Zwieback, den Ihr ihm gereicht habt! Vergeßt nicht, genau zu tun, was ich Euch gesagt habe!«
»Oh, mein lieber Herr, lieber will ich selber sterben, als dagegen handeln.«
»Nun, das werd' ich ja sehen. Morgen abend will ich ihn zur Ader lassen. – Gehen wir zu Fuß den Bach entlang,« sagte Benassis zu Genestas, »von hier nach dem Hause, wohin ich mich begeben muß, gibt's keinen Weg für die Pferde. Der kleine Junge der Leute hier wird auf unsere Tiere aufpassen. – Bewundern Sie unser schönes Tal ein wenig,« fuhr er fort, »ist's nicht ein englischer Garten? Wir kommen jetzt zu einem Arbeiter, der untröstlich ist über den Tod eines seiner Kinder. Sein noch junger Aeltester hat während der letzten Ernte wie ein Mann arbeiten wollen, da hat das arme Kind seine Kräfte überspannt und ist Ende Herbst an Entkräftung gestorben. Es ist dies das erstemal, daß ich einem so stark entwickelten väterlichen Gefühle begegne. Gewöhnlich bedauern die Bauern in ihren gestorbenen Kindern den Verlust einer nützlichen Sache, die einen Teil ihres Vermögens vorstellt; das Bedauern wächst im Verhältnis zu dem Alter. Wenn ein Kind einmal erwachsen ist, wird's ein Kapital für seinen Vater. Dieser arme Mann aber liebte seinen Sohn wirklich. ›Nichts tröstet mich über den Verlust,‹ hat er mir eines Tages gesagt, als ich ihn in einer Wiese aufrecht und unbeweglich stehen sah, seine Arbeit vergessend und sich auf seine Sense stützend, in der Hand seinen Schleifstein haltend, den er genommen hatte, um sich seiner zu bedienen, und dessen er sich doch nicht bediente. Nie hat er wieder von seinem Schmerz zu mir gesprochen, aber er ist schweigsam und schwermütig geworden. Heute ist eines seiner kleinen Mädchen krank ...«
Indem sie so plauderten, waren Benassis und sein Gast bei einem kleinen Hause angekommen, das auf dem Wege zu einer Lohmühle gelegen war. Dort unter einer Weide sahen sie einen etwa vierzigjährigen Mann stehen, der mit Knoblauch eingeriebenes Brot aß.
»Nun, Gasnier, geht's der Kleinen besser?«
»Ich weiß es nicht, Herr,« sagte er mit düsterer Miene, »sehen Sie sie sich an, meine Frau ist bei ihr. Trotz Ihrer Fürsorge habe ich rechte Angst, der Tod möchte bei mir eingekehrt sein, um mir alles fortzuholen.«
»Der Tod nimmt bei niemand Wohnung, Gasnier, er hat keine Zeit. Verliert nur den Mut nicht.«
Benassis ging, vom Vater gefolgt, ins Haus. Eine halbe Stunde später kam er in Begleitung der Mutter heraus und sagte zu ihr:
»Beunruhigt Euch nicht; tut, was ich Euch gesagt habe, sie ist gerettet ... Wenn Sie all das langweilt,« sagte der Arzt dann, das Pferd wieder besteigend, zu dem Offizier, »könnte ich Sie auf den Weg nach dem Flecken bringen und Sie würden dorthin zurückkehren.«
»Nein, meiner Treu, ich langweile mich nicht!«
»Aber Sie werden überall Hütten sehen, die einander ähnlich sind; nichts ist scheinbar monotoner als das Land.«
»Reiten wir,« sagte der Offizier.
Einige Stunden lang eilten sie so durchs Land, durchquerten den Bezirk in seiner Breite und kamen gegen Abend in den Teil zurück, der dem Flecken benachbart war.
»Jetzt muß ich da unten hingehen,« sagte der Arzt zu Genestas, ihn auf einen Punkt hinweisend, wo sich Ulmen erhoben. »Die Bäume sind vielleicht zweihundert Jahre alt,« fügte er hinzu. »Dort wohnt jene Frau, um derentwillen gestern Abend ein Bursche im Augenblicke des Essens kam und mir sagte, daß sie weiß geworden sei.«
»War's gefährlich?«
»Nein,« sagte Benassis, »eine Wirkung der Schwangerschaft. Die Frau ist in ihrem letzten Monate. Während dieser Periode bekommen manche Frauen häufig Krämpfe. Vorsichtshalber muß ich immerhin nachsehen, ob nichts Beunruhigendes eingetreten ist. Ich will die
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