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Der Landarzt (German Edition)

Der Landarzt (German Edition)

Titel: Der Landarzt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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würde Frankreich mit Hundertsousstücken haben pflastern können, wenn ihm die Laune danach gestanden hätte. Dann als er nach seinem Wohlgefallen auf seinem Throne sitzt und so gut Herr des Ganzen ist, daß Europa seine Erlaubnis abwartet, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, sagt er zu uns, da er vier Brüder und drei Schwestern hatte, im Gesprächston im Tagesbefehl:
    ›Meine Kinder, ist es billig, daß eures Kaisers Verwandte die Hand hinhalten? Nein. Ich will, sie sollen leuchten wie ich. Dann ist es dringend notwendig, für jeden von ihnen ein Königreich zu erobern, damit der Franzose Herr des Ganzen, daß die Soldaten der Garde die Welt zittern machen und daß Frankreich spuckt, wohin es will, und daß man zu ihnen sagt, wie auf meinem Gelde steht: Gott schirme euch!‹
    ›Abgemacht!‹ antwortete die Armee, ›man wird dir Königreiche mit dem Bajonett fischen.‹
    Ah! es gab eben nichts, wovor man zurückgewichen wäre! Und wenn er sich in den Kopf gesetzt hätte, den Mond zu erobern, so hätte man sich dazu anschicken, seine Sachen packen und hinaufflattern müssen. Glücklicherweise ist ihm das nie in den Sinn gekommen. Die Könige, die an ihre Thronherrlichkeiten gewöhnt waren, haben sich natürlich am Ohr zupfen lassen; wir aber marschieren los. Wir marschieren, wir gehen und der ganze Schwindel beginnt wieder von neuem, gründlich wie immer. In jener Zeit hat man Menschen und Schuhe abgenutzt! Dann schlug man sich bei unseren Kämpfen so grausam, daß andere wie die Franzosen dessen müde geworden wären. Aber, ihr wißt, der Franzose ist ein geborener Philosoph und weiß, daß er ein bißchen früher oder ein bißchen später sterben muß. Darum starben wir alle ohne ein Wort zu sagen, weil man das Vergnügen hatte, den Kaiser so auf den Erdkarten machen zu sehen. (Da beschreibt der Infanterist flink einen Kreis mit seinem Fuß auf dem Scheunenboden.) Und er sagte: ›Das wird ein Königreich!‹ und es ward ein Königreich. Welch schöne Zeit! Die Obersten wurden Generäle, im Nu war das geschehen, die Generäle Marschälle, die Marschälle Könige. Es gibt noch einen, der obenauf ist, um es Europa zu sagen, obwohl er ein Gaskogner ist und ein Verräter an Frankreich wurde, um seine Krone zu behalten, die nicht vor Scham rot geworden ist, weil die Kronen, seht ihr, aus Gold gemacht sind! Die Pioniere endlich, die lesen konnten, wurden sogar Edelleute. Ich, der ich zu euch spreche, habe in Paris elf Könige und ein Volk von Fürsten gesehen, die Napoleon wie die Strahlen der Sonne umgeben! Ihr versteht wohl, daß jeder Soldat, da er die Aussicht hatte, einen Thron anzuziehen, vorausgesetzt, daß er ihn verdiente, ein Korporal der Garde sozusagen eine Kuriosität war, die man bewunderte, wenn sie vorbeiging, weil jeder an dem Siege seinen Anteil hatte, der aus dem Bulletin genau bekannt war. Und was gab es für Schlachten! Austerlitz, wo die Armee wie bei der Parade manöveriert, Eylau, wo man die Russen in einem See ertränkt hat, wie wenn Napoleon darübergeblasen hätte, Wagram, wo man sich drei Tage geschlagen hat, ohne zu maulen ... Kurz, es gab ihrer ebenso viele wie Heilige im Kalender. Auch wurde damals bewiesen, daß Napoleon in seiner Scheide den wahren Degen Gottes hatte. Dann besaß der Soldat seine Achtung, und er sorgte für ihn wie für sein Kind, kümmerte sich, ob er seine Stiefel, Leinenwäsche, Regenmäntel, Brot und Patronen hätte, obwohl er was auf seine Majestät hielt, da es ja sein Beruf war, zu regieren. Doch das ist gleich! Ein Sergeant und selbst ein Soldat konnten zu ihm ›mein Kaiser‹ sagen, wie ihr manchmal ›mein Freund‹ zu mir sagt. Und er antwortete auf alles, was man ihm sagte, und schlief im Schnee wie wir anderen; kurz, er hatte beinahe das Aussehen eines natürlichen Menschen. Ich, der ich mit euch spreche, habe ihn mit den Füßen in der Kartätschenladung nicht genierter gesehen, als ihr es dort seid, und mobil, mit seinem Fernrohr um sich schauend, immer bei seiner Sache; dann blieben wir so ruhig da, als wenn gar nichts los wäre. Ich weiß nicht, wie er es anstellte, doch wenn er mit uns sprach, drang uns sein Wort wie Feuer in den Leib, und um ihm zu zeigen, daß man zu seinen Kindern gehörte, die nicht fähig waren, aufzubegehren, ging man im gewöhnlichen Schritt vor die Schäker von Kanonen, die das Maul aufsperrten und Regimenter von Kugeln ausspien, ohne Aufgepaßt! zu sagen. Und die Sterbenden hatten sogar die Kraft, sich aufzurichten, um

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