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Der Landarzt (German Edition)

Der Landarzt (German Edition)

Titel: Der Landarzt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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fortgerissen, sich zu vergessen geneigt ist, bezeigen und verursachen ihm die, welche ihn umgeben, soviel Mißtrauen, daß es ihm recht schwer fällt, es nicht zu teilen, sich nicht gegen seine edelmütigen Ideen zu wehren. Dieser Kampf trocknet sein Herz aus, macht es enger, treibt das Leben ins Gehirn und erzeugt jene Pariser Gefühllosigkeit und jene Sitten, hinter denen sich unter der anmutigsten Frivolität, unter Voreingenommenheiten, die mit Begeisterungen Aehnlichkeit haben, die Politik oder das Geld verbergen. Dort hindert Glückstrunkenheit die naivste Frau nicht, stets ihre Vernunft zu bewahren. Eine solche Atmosphäre mußte mein Benehmen und meine Gefühle beeinflussen. Die Fehler, die mir meine Tage vergifteten, würden für das Herz vieler Leute eine leichte Last gewesen sein; die Südländer aber besitzen eine Religiosität, die sie an die katholischen Wahrheiten und an ein anderes Leben glauben läßt. Dieser Glaube verleiht ihren Leidenschaften eine große Tiefe und ihren Gewissensbissen Beharrlichkeit. Zu der Zeit, da ich Medizin studierte, waren die Angehörigen der Armee überall die Herren; um Frauen zu gefallen, mußte man damals wenigstens Oberst sein. Was war ein armer Student in der großen Welt? Nichts! Durch die Kraft meiner Leidenschaften lebhaft aufgestachelt, und für sie keinen Ausweg wissend, durch Geldmangel bei jedem Schritte gehemmt, Studium und Ruhm für einen allzu langsamen Weg haltend, um mir die Vergnügen zu verschaffen, die mich lockten, zwischen meinen heimlichen Schamgefühlen und den schlechten Beispielen hin und her pendelnd, für die Ausschweifungen in der unteren Schicht auf keinerlei Widerstände stoßend, und, um in die gute Gesellschaft zu kommen, nichts wie Schwierigkeiten sehend, verbrachte ich traurige Tage, eine Beute unklarer Leidenschaften, tötenden Müßiggangs und mit plötzlichen Exaltationen vermischter Entmutigungen.
    Diese Krise endigte schließlich mit einer bei jungen Leuten ziemlich gewöhnlichen Lösung. Stets habe ich größten Widerwillen gegen die Störung eines ehelichen Glücks gehabt; ferner hinderte mich der unwillkürliche Freimut meiner Gefühle, sie zu verbergen: es ist mir physisch also unmöglich gewesen, in einem Zustande offenbarer Lüge zu leben. Die in Hast genossenen Freuden verführen mich nicht sehr, ich liebe das Glück langsam auszukosten. Da ich nicht frischweg lasterhaft war, stand ich meiner Isolierung machtlos gegenüber, nach so vielen vergeblich unternommenen Anstrengungen, um in die große Welt einzudringen, wo ich einer Frau hätte begegnen können, die sich damit abgegeben haben würde, mir die Klippen jedes Weges zu zeigen, mir ausgezeichnete Manieren beizubringen, mir zu raten, ohne meinen Stolz zu empören, und mich überall einzuführen, wo ich für meine Zukunft nützliche Beziehungen hätte anknüpfen können. In meiner Verzweiflung würde mich die gefährlichste Frauengunst vielleicht verführt haben; doch alles fehlte mir, selbst die Gefahr! Und die Unerfahrenheit führte mich in meine Einsamkeit zurück, in der ich angesichts meiner enttäuschten Leidenschaften verharrte. Endlich, mein Herr, knüpfte ich eine anfangs heimliche Liebschaft mit einem jungen Mädchen an, an die ich mich nolens volens wagte, bis sie mein Los zu dem ihren machte. Diese junge Person, die einer anständigen, aber minderbemittelten Familie angehörte, gab ihr bescheidenes Leben bald um meinetwillen auf und vertraute mir furchtlos eine Zukunft an, welche die Tugend ihr in schönem Lichte zeigte. Die Bescheidenheit meiner Lage schien ihr zweifellos die beste der Garantien. Von diesem Augenblick an beruhigten sich die Stürme, die mein Herz verwirrten, meine ausschweifenden Wünsche, mein Ehrgeiz, kurz, alles im Glück, in dem Glücke eines jungen Mannes, der weder die Sitten der Welt, noch ihre Ordnungsmaximen, noch die Macht der Vorurteile kennt; einem vollständigen Glücke aber, wie es das eines Kindes ist. Ist die erste Liebe nicht eine zweite Kindheit, die über unsere Tage der Mühe und Arbeit ausgebreitet liegt? Es gibt Menschen, die das Leben sofort verstehen, es so beurteilen, wie es ist, die Irrtümer der Welt sehen, um sie sich zunutze zu machen, die sozialen Vorschriften, um sie zu ihrem Vorteil zu wenden, und die Tragweite von allem abzuschätzen wissen. Diese kalten Menschen sind nach den menschlichen Gesetzen weise. Dann gibt es arme Dichter, nervöse Leute, die lebhaft empfinden und Fehler begehen; ich gehörte zu den

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