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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Kinder.
    Wieder hatten wir den Vorzug, daß uns ein brillantes, aggressives Verteidigerteam vertrat, ausgezeichnet geführt von Rechtsanwalt Issy Maisels und assistiert von Bram Fischer, Rex Welsh, Vernon Berrange, Sydney Kentridge, Tony O’Dowd und G. Nicholas. Ihre Kampfbereitschaft zeigten sie schon am ersten Prozeßtag mit einem riskanten juristischen Manöver, zu dem sich eine Anzahl von uns nach Beratung mit den Anwälten entschlossen hatte. Zu Beginn des Verfahrens erhob sich Issy Maisels dramatisch und beantragte die Ablehnung der Richter Ludorf und Rumpff mit der Begründung, beide hätten Interessenkonflikte, die sie daran hinderten, in unserem Fall faire Richter zu sein. Bei diesen Worten erhob sich im Gerichtssaal lautes Gemurmel. Die Verteidigung erklärte, daß sich Rumpff, als Richter beim Mißachtungsprozeß von 1952, bereits bei bestimmten Aspekten der gegenwärtigen Anklage festgelegt habe und es deshalb nicht der Gerechtigkeit diene, wenn er mit diesem Fall befaßt würde. Gegen Ludorf argumentieren wir, er sei voreingenommen, insofern er 1954 die Regierung als Anwalt für die Polizei vertreten habe, als Harold Wolpe um eine gerichtliche Entscheidung ersucht hatte, um die Polizei aus einer Versammlung des Volkskongresses zu weisen.
    Es war eine gefährliche Strategie, denn wir konnten zwar leicht die juristische Schlacht gewinnen, aber den Krieg verlieren. Wenngleich wir Ludorf und Rumpff als entschiedene Anhänger der National Party betrachteten, so gab es doch im Land weitaus schlimmere Richter, die sie ersetzen konnten. Tatsächlich wollten wir Ludorf gern loswerden, doch insgeheim hofften wir, daß Rumpff, den wir als ehrlichen Makler respektierten, sich selbst nicht für befangen erklären würde. Rumpff trat stets für das Gesetz ein, unabhängig von seiner persönlichen politischen Überzeugung, und wir waren davon überzeugt, daß wir vor dem Gesetz für unschuldig befunden werden mußten.
    An jenem Montag herrschte eine erwartungsvolle Stimmung, als die drei Richter den Gerichtssaal betraten. Richter Ludorf erklärte, daß er zurücktreten werde, und fügte hinzu, er habe den früheren Fall vollständig vergessen. Rumpff jedoch erklärte sich für nicht befangen und versicherte, sein Urteil im Mißachtungsprozeß werde ihn in diesem Verfahren nicht beeinflussen. Als Ersatz für Ludorf wurde Richter Bekker bestimmt, ein Mann, der uns von Anfang an gefiel und nicht in Verbindung mit der National Party stand.
    Nach dem Erfolg dieses ersten Manövers versuchten wir ein zweites, beinahe genauso riskantes. Wir begannen eine lange, detaillierte Beschwerde gegen die Anklage als solche. Wir erklärten unter anderem, die Anklage sei zu vage und ermangele der Spezifikation. Wir erklärten auch, daß die Planung von Gewalttätigkeit notwendig sei, um die Anklage des Hochverrats zu belegen, und daß die Anklagevertretung folglich Beispiele beibringen müsse für ihre Behauptung, daß wir beabsichtigt hätten, gewalttätig zu handeln. Gegen Ende unserer Darlegung wurde offenkundig, daß die drei Richter zustimmen. Im August wies das Gericht eine der beiden Anklagen nach dem Suppression of Communism Act ab. Am 13. Oktober, nach weiteren zwei Monaten juristischen Gerangeis, erklärte die Anklagevertretung plötzlich, die Anklage werde insgesamt zurückgezogen. Dies war ein außerordentlicher Schritt, doch wir waren nur zu vertraut mit den tückischen Methoden des Staates, um zu feiern. Einen Monat später präsentierte die Anklagevertretung eine neue, sorgfältiger formulierte Anklageschrift und erklärte, daß der Prozeß nur gegen 30 Angeklagte geführt würde und daß die anderen später angeklagt werden sollten. Ich gehörte zu den ersten 30, alle Mitglieder des ANC.
    Nach der neuen Anklage war es jetzt Aufgabe der Anklagevertretung, die Absicht zu gewalttätigem Handeln zu beweisen. Wie Pirow es ausdrückte, hätten die Angeklagten gewußt, daß zur Erreichung der Ziele der Freiheits-Charta »notwendigerweise der gewaltsame Sturz des Staates« gehöre. Doch die juristischen Streitereien zogen sich über die Mitte des Jahres 1958 hin, bis das Gericht schließlich die Anklage auch gegen die restlichen 61 Angeklagten abwies.
    Über Monate hin bestand die Aktivität im Gerichtssaal aus den trockensten juristischen Manövern, die man sich vorstellen kann. Obwohl die Verteidigung erfolgreich nachgewiesen hatte, wie schlampig die Regierung den Fall behandelte, war der Staat weiterhin verstockt. Wie der

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