Der lange Weg zur Freiheit
Justizminister erklärte: »Dieser Prozeß wird fortgeführt werden, gleichgültig, wie viele Millionen Pfund er kostet. Was spielt es für eine Rolle, wie lange er dauert?«
Kurz nach Mitternacht am 4. Februar 1958 kam ich von einer Versammlung nach Hause und fand Winnie allein vor; sie hatte Schmerzen, denn die Wehen schienen einzusetzen. In aller Eile brachte ich sie zum Baragwanath-Krankenhaus, wo man mir erklärte, es werde noch viele Stunden dauern, bis es soweit sei. Ich blieb, bis ich zum Prozeß nach Pretoria fahren mußte. Sofort nach Ende der Sitzung eilte ich zusammen mit Duma Nokwe zurück und fand Mutter und Tochter ganz wohlauf. Ich hielt mein neugeborenes Töchterchen im Arm und nannte es eine wahre Mandela. Mein Verwandter, Häuptling Mdingi, schlug den Namen Zenani vor, der soviel bedeutet wie: »Was hast du in die Welt gebracht?« Es ist ein poetischer Name, der eine Herausforderung enthält und besagt, daß es der Gesellschaft einen Beitrag zu leisten hat. Es ist ein Name, den man nicht einfach besitzt, sondern nach dem man leben muß.
Meine Mutter kam aus der Transkei, um Winnie zu helfen. Sie wollte für Zenani eine Xhosa-Taufe veranstalten, zu der ein »Inyanga«, ein Stammesheiler, erscheinen und dem Baby das traditionelle Kräuterbad geben würde. Aber Winnie war eisern dagegen, sie hielt das für ungesund und altmodisch, und rieb Zenani statt dessen mit Olivenöl ein, bedeckte den winzigen Körper dicht mit Johnson’s Babypuder und füllte den Magen der Kleinen mit Haifischöl.
Bald darauf war Winnie wieder auf den Beinen, und ich unterzog mich der Aufgabe, der neuen Mutter das Autofahren beizubringen. Autofahren war damals Männersache; sehr wenige Frauen, zumal Afrikanerinnen, waren auf dem Fahrersitz zu sehen. Winnie hatte jedoch eigene Vorstellungen und wollte fahren lernen, und das würde zweifellos von Nutzen für sie sein, da ich so häufig abwesend war und sie nicht überall hinfahren konnte. Vielleicht bin ich ja ein ungeduldiger Lehrer, oder aber ich hatte eine eigenwillige Schülerin, doch als ich ihr auf einer relativ flachen, ruhigen Straße in Orlando Fahrunterricht geben wollte, schienen wir selbst beim Gangeinlegen dauernd in Streit zu geraten. Schließlich, nachdem sie wieder einen meiner vielen Ratschlage in den Wind geschlagen hatte, sprang ich aus dem Wagen und ging zu Fuß nach Hause. Winnie schien ohne meine Anleitung besser zurechtzukommen, denn während der nächsten Stunde fuhr sie auf eigene Faust in der Township umher. Zu diesem Zeitpunkt waren wir beide bereit, uns wieder zu versöhnen, und über die Geschichte haben wir später häufig gelacht.
Eheleben und Mutterschaft waren für Winnie keine leichte Aufgabe. Sie war eine junge Frau von 25 Jahren, deren Charakter noch nicht endgültig ausgeformt war. Mein Charakter lag bereits fest, und ich war ziemlich starrsinnig. Ich wußte, daß andere sie häufig als »Mandelas Frau« ansahen. Zweifellos war es für sie schwierig, in meinem Schatten ihre eigene Identität auszubilden. Ich tat mein Bestes, damit sie sich aus eigener Kraft entfalten konnte, und das tat sie schon bald, ohne jede Hilfe meinerseits.
Am 6. April 1959, dem Jahrestag von Jan Van Riebeecks Landung am Kap, wurde eine neue Organisation gegründet, die dem ANC den Rang als Südafrikas wichtigste politische Organisation für Afrikaner streitig machen wollte und deren Kampf ebenfalls der weißen Vorherrschaft galt, die drei Jahrhunderte zuvor ihren Anfang genommen hatte. Mit einigen hundert Delegierten aus verschiedenen Landesteilen, die sich in der Communal Hall von Orlando versammelten, stellte sich der Panafrikanische Kongreß (PAC) als eine afrikanische Organisation vor, die ausdrücklich den Multi-Rassismus des ANC verwarf. Wie jene von uns, die fünfzehn Jahre zuvor die Jugendliga gebildet hatten, glaubten die Gründer der neuen Organisation, der ANC sei nicht militant genug, habe keinen Kontakt zu den Massen und sei beherrscht von Nichtafrikanern.
Robert Sobukwe wurde zum Präsidenten, Potlako Leballo zum Nationalen Sekretär gewählt; beide hatten früher der ANC-Jugendliga angehört. Der PAC legte ein Manifest und eine Satzung vor, und Sobukwe forderte in seiner Eröffnungsansprache eine »Regierung der Afrikaner durch die Afrikaner und für die Afrikaner«. Der PAC habe die Absicht, hieß es, die weiße Vorherrschaft zu brechen und eine Regierung zu etablieren, afrikanisch dem Ursprung nach, sozialistisch vom Inhalt her und
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