Der lange Weg zur Freiheit
demokratisch in der Form. Die Delegierten schworen dem Kommunismus in all seinen Formen ab und betrachteten Weiße wie Inder als »ausländische Minderheitsgruppen« oder »Fremde«, die keinen natürlichen Platz in Südafrika hätten. Südafrika für Afrikaner und sonst niemanden.
Die Geburt des PAC war für uns keine Überraschung. Die Afrikanisten innerhalb des ANC hatten ihre Unzufriedenheit in mehr als drei Jahren laut genug kundgetan. 1957 hatten sie während der nationalen Konferenz gegen die Exekutive von Transvaal ein Mißtrauensvotum eingebracht, waren damit jedoch gescheitert. 1958 hatten sie gegen die »Bleibt-zu-Hause«-Aktion am Wahltag opponiert, und ihr Führer, Potlako Leballo, war aus dem ANC ausgeschlossen worden. Auf der ANC-Konferenz im November 1958 hatte sich eine Gruppe von Afrikanisten gegen die Freiheits-Charta ausgesprochen und behauptet, sie verletze die Privilegien des afrikanischen Nationalismus.
Der PAC erklärte zwar, er lasse sich von den Prinzipien tragen, die bei der Gründung des ANC 1912 im Vordergrund gestanden hätten, doch ihre Ansichten entstammten hauptsächlich dem emotionalen afrikanischen Nationalismus, wie er während der Gründung der Jugendliga 1944 von Anton Lembede und A. P. Mda vertreten worden war. Der PAC spiegelte die Grundsätze und Slogans jener Zeit wider: Afrika für die Afrikaner und die Vereinigten Staaten von Afrika. Doch der unmittelbare Grund für ihre Abspaltung war ihre Opposition gegen die Freiheits-Charta und die Anwesenheit von Weißen und Indern in der Führung der Congress Alliance. Sie waren gegen das Prinzip der interrassischen Kooperation, vor allem weil sie glaubten, daß weiße Kommunisten und Inder den ANC beherrschten.
Die Gründer des PAC waren mir alle gut bekannt, Robert Sobukwe war ein alter Freund von mir. Er war der sprichwörtliche Gentleman und Gelehrte (seine Kollegen nannten ihn »Prof«). Seine unbeirrbare Bereitschaft, für seine Prinzipien Nachteile hinzunehmen, trug ihm meine unverbrüchliche Achtung ein. Potlako Leballo, Peter Raboroko, Zephania Mothopeng waren sämtlich Freunde und Gefährten. Ich war erstaunt und sogar einigermaßen entsetzt, als ich erfuhr, daß mein politischer Mentor Gaur Rabebe sich dem PAC angeschlossen hatte. Ich fand es merkwürdig, daß ein ehemaliges Mitglied des Zentralkomitees der KP sich entschlossen hatte, einer Organisation beizutreten, die den Marxismus ausdrücklich zurückwies.
Viele der Männer, die es jetzt mit dem PAC hielten, taten dies aus persönlichem Groll oder aus Enttäuschung und hatten nicht den Fortschritt des Kampfes im Sinn, sondern nur ihre eigenen Neid- und Rachegefühle. Ich habe immer geglaubt, daß man als Freiheitskämpfer viele seiner persönlichen Empfindungen unterdrücken muß, die einem eher das Gefühl geben, ein einzelnes Individuum zu sein als Teil einer Massenbewegung. Man kämpft für die Befreiung von Millionen Menschen und nicht für den Ruhm eines einzelnen. Damit meine ich nicht, daß ein Mensch ein Roboter sein und sich aller persönlichen Gefühle und Motivationen entledigen soll. Aber genauso wie ein Freiheitskämpfer seine eigene Familie der Familie des Volkes unterordnet, hat er seine individuellen Gefühle zugunsten der Bewegung zurückzustellen.
Ich fand die Ansichten und das Verhalten des PAC unausgereift. Ein Philosoph bemerkte einmal, es stimme etwas nicht, wenn ein Mensch in jungen Jahren nicht liberal und im Alter nicht konservativ sei. Ich bin nicht konservativ, doch man reift mit den Jahren und betrachtet manche seiner Ansichten aus jungen Jahren als unentwickelt und unreif. Obwohl ich mit den Ansichten der Afrikanisten sympathisierte und früher einmal viele mit ihnen teilte, glaubte ich dennoch, daß der Freiheitskampf es erfordert, Kompromisse zu schließen und jene Art von Disziplin zu akzeptieren, die man als jüngerer, impulsiverer Mensch abgelehnt hatte.
Der PAC legte ein dramatisches, überehrgeiziges Programm vor, das schnelle Lösungen verhieß. Das dramatischste – und naivste – Versprechen bestand darin, daß die Befreiung bis Ende 1963 vollzogen sei, und die PAC-Leute drängten die Afrikaner, sich auf jene historische Stunde vorzubereiten. »1960 tun wir unseren ersten Schritt«, versprachen sie, »1963 unseren letzten in Richtung Freiheit und Unabhängigkeit.« Die Voraussage weckte Hoffnung und Enthusiasmus bei Menschen, die des Wartens überdrüssig waren, doch ist es für eine Organisation immer gefährlich,
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