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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Gesetz auf der andern Seite. Dies ist kein Konflikt, der für dieses Land eigentümlich wäre. Der Konflikt ergibt sich in jedem Land für Menschen mit Gewissen, für Menschen, die denken und tief empfinden. In Großbritannien ist vor kurzem ein Mitglied des Oberhauses, Earl (Bertrand) Russell, der wahrscheinlich am meisten geachtete Philosoph der westlichen Welt, wegen genau der Art von Aktivitäten angeklagt und verurteilt worden, deretwegen ich heute vor Ihnen stehe – weil er, seinem Gewissen folgend, das Gesetz mißachtete, als Protest gegen die Nuklearpolitik, wie sie seine eigene Regierung verfolgt. Er konnte nichts anderes tun, als das Gesetz zu mißachten und dafür die Folgen auf sich zu nehmen. Auch ich kann nichts anderes tun. Ebensowenig viele Afrikaner in diesem Land. Das Gesetz, wie es angewendet wird, das Gesetz, wie es über einen langen Geschichtszeitraum entwickelt worden ist, und vor allem das Gesetz, wie es verfaßt und geformt wurde von der Nationalistischen Regierung, dies ist ein Gesetz, das nach unserer Überzeugung unmoralisch, ungerecht und untragbar ist. Unser Gewissen zwingt uns, dagegen zu protestieren, dagegen zu opponieren und zu versuchen, es zu ändern… Menschen, denke ich, sind unfähig, nichts zu tun, nichts zu sagen, nicht zu reagieren gegen Ungerechtigkeit, nicht zu protestieren gegen Unterdrückung und nicht zu streben nach der guten Gesellschaft und dem guten Leben, wie sie es sehen.«
     
     
    Ich berichtete im einzelnen von den zahllosen Fällen, in denen die Regierung das Gesetz benutzt hatte, um mein Leben, meine Berufslaufbahn und politische Arbeit durch Bannungen, Restriktionen und Prozesse zu behindern.
    »Ich bin durch das Gesetz zum Kriminellen gemacht worden, nicht wegen dem, was ich getan habe, sondern wegen dem, wofür ich stand, wegen dem, was ich dachte, wegen meines Gewissens. Kann es da irgend jemanden überraschen, daß solche Bedingungen einen Menschen zu einem Gesetzlosen der Gesellschaft machen? Kann es überraschen, daß ein solcher Mann, der von der Regierung zum Gesetzlosen gemacht worden ist, sich darauf einrichtet, das Leben eines Gesetzlosen zu führen, wie ich es nach dem Beweismaterial, das dem Gericht vorliegt, einige Monate getan habe?
    Es ist für mich in der Vergangenheit nicht leicht gewesen, mich von meiner Frau und meinen Kindern zu trennen, Abschied zu nehmen von den guten alten Tagen, wenn ich am Ende eines anstrengenden Bürotages mich darauf freuen konnte, mit meiner Familie am Tisch zu sitzen, und statt dessen das Leben eines von der Polizei ständig Gejagten zu führen, getrennt lebend von jenen, die mir am nächsten stehen, in meinem eigenen Land, ständig der Gefahr ausgesetzt, aufgespürt und verhaftet zu werden. Dies war ein unendlich viel schwierigeres Leben als das Absitzen einer Gefängnisstrafe. Niemand, der bei Sinnen ist, würde freiwillig ein solches Leben einem normalen Leben mit Familie und Freunden vorziehen, wie es in jeder zivilisierten Gemeinschaft zu führen ist.
    Doch es kommt eine Zeit, wie sie in meinem Leben gekommen ist, da einem Menschen das Recht auf ein normales Leben verweigert wird, da er nur das Leben eines Gesetzlosen leben kann, weil die Regierung verfügt hat, das Gesetz dazu zu benutzen, ihm den Status der Ungesetzlichkeit aufzuzwingen. Ich bin in diese Situation getrieben worden, und ich bedaure nicht, Entscheidungen getroffen zu haben, die ich getroffen habe. Andere Menschen in diesem Land werden in der gleichen Weise dazu getrieben werden, durch dieselbe polizeiliche Verfolgung und durch Verwaltungsmaßnahmen seitens der Regierung, meinem Kurs zu folgen, dessen bin ich sicher.«
    Ich zählte die vielen Male auf, da wir der Regierung unsere Beschwerden vorgelegt hätten, die dann genauso häufig ignoriert oder beiseite gelegt worden seien. Ich beschrieb unser Stay-Away von 1961 als letztes Mittel, nachdem die Regierung in keiner Weise gezeigt hatte, daß sie mit uns zu reden oder unsere Forderungen zu erfüllen gedenke. Es war die Regierung, die Gewalttätigkeiten provozierte, indem sie gegen unsere gewaltlosen Forderungen Gewalt einsetzte. Wegen der Aktionen der Regierung hätten wir eine militantere Haltung eingenommen. Ich sagte ferner, daß ich während meines ganzen politischen Lebens das Privileg gehabt hätte, an der Seite von Gefährten zu kämpfen, deren Fähigkeiten und Leistungen weitaus größer seien als meine eigenen. Viele andere hätten vor mir den Preis für ihre Überzeugungen

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