Der lange Weg zur Freiheit
geeignet, Polemik zu entschärfen, und lassen die Menschen besser einsehen, was sie verbindet, als was sie trennt.
Als ich mit den anderen auf den Hof geführt wurde, begrüßten wir einander herzlich. Außer Sobukwe waren es noch John Gaetswe, führendes Mitglied des South African Congress of Trade Unions (Gewerkschaften), Aaron Molete, ANC-Mitglied, das für New Age arbeitete, und Stephen Tefu, prominenter Kommunist, Gewerkschafter und PAC-Mitglied. Robert bat mich, über meine Afrika-Reise zu berichten, was ich gern tat. Ich schilderte aufrichtig, wie es um den Ruf von PAC und ANC im übrigen Afrika bestellt war, und schloß meinen Bericht mit dem Hinweis, da seien bestimmte Fragen, die wir einer genaueren Betrachtung unterziehen sollten. Nachdem die Behörden anfangs gestatteten, daß Sobukwe und ich eine gewisse Nähe unter uns herstellten, hielten sie uns schon bald bewußt getrennt. Wir hatten Einzelzellen im selben Korridor, allerdings an den entgegengesetzten Enden.
Manchmal hatten wir Gelegenheit, miteinander zu sprechen, wenn wir uns Seite an Seite auf den Boden des Gefängnishofs setzten, wo wir schäbige alte Postsäcke nähten und flickten. Ich habe Sobukwe immer respektiert und hielt ihn für einen ausgeglichenen, vernünftigen Menschen. Doch wir hatten deutlich unterschiedliche Ansichten über das aktuelle Hauptthema: die Gefängnisbedingungen. Sobukwe meinte, wenn er gegen schlechte Bedingungen ankämpfe, anerkenne er damit das Recht des Staates, ihn überhaupt ins Gefängnis zu stecken. Ich erwiderte, es sei stets unannehmbar, unter entwürdigenden Umständen zu leben, und während der ganzen Geschichte hätten politische Gefangene es als eine ihrer Pflichten angesehen, Gefängnisbedingungen zu verbessern. Sobukwe entgegnete, Gefängnisbedingungen würden sich nicht ändern, ehe sich das Land nicht ändere. Ich stimmte ihm darin voll zu, vermochte aber nicht einzusehen, warum uns dies davon abhalten sollte, auf dem einzigen Felde zu kämpfen, auf dem wir zur Zeit kämpfen konnten. Wir konnten uns in dieser Frage nie wirklich einigen, erzielten jedoch einen gewissen Fortschritt, insofern wir an den Commanding Officer einen gemeinsamen Brief richteten, in dem wir unsere Beschwerden über die Bedingungen im Gefängnis darlegten.
Sobukwe brach im Gefängnis nie zusammen. Doch in Pretoria war er ein wenig empfindlich und reizbar, und ich schrieb dies Stephen Tefu zu. Tefu stichelte Sobukwe ständig, zog ihn auf, verhöhnte ihn und forderte ihn heraus. Selbst an seinen guten Tagen war Tefu ein schwieriger Mensch: sauertöpfig, streitsüchtig, anmaßend. Er konnte sich aber auch gut artikulieren, war kenntnisreich und Experte in russischer Geschichte. Vor allem war er ein Kämpfer, doch er kämpfte gegen jeden, selbst gegen seine Freunde. Tefu und Sobukwe stritten sich jeden Tag.
Mir war sehr daran gelegen, mit Sobukwe über politische Themen zu diskutieren, und eine der Fragen, die ich ihm gegenüber anschnitt, war der PAC-Slogan »Freiheit 1963 «. Inzwischen war es bereits 1963, und Freiheit war nirgends zu erkennen. »Mein Bruder«, sagte ich zu Sobukwe, »nichts ist so gefährlich, als wenn ein Führer Forderungen erhebt, von denen er weiß, daß sie nicht einzulösen sind. Das verführt Menschen zu falschen Hoffnungen. «
Ich sagte dies auf äußerst respektvolle Weise, doch Tefu mischte sich ein und begann, Sobukwe abzukanzeln. »Bob«, sagte er, »in Mandela hast du jemanden gefunden, der es mit dir aufnehmen kann. Du weißt, daß er recht hat.« In diesem Stil redete Tefu weiter und reizte Sobukwe, bis dieser sagte: »Laß mich in Ruhe.« Aber Tefu war nicht zu bremsen. »Bob, die Leute warten auf dich. Sie werden dich umbringen, weil du sie getäuscht hast. Du bist nur ein Amateur, Bob. Du bist kein wirklicher Politiker.«
Tefu tat alles, sich auch bei mir unbeliebt zu machen. Jeden Morgen, wenn die Wärter uns aufsuchten, beschwerte er sich bei ihnen über irgend etwas: über das Essen, die Umstände, die Hitze oder die Kälte. Eines Tages fragte ein Aufseher Tefu: »Hören Sie, Mann, warum beschweren Sie sich jeden Morgen?«
»Ich beschwere mich, weil es meine Pflicht ist, mich zu beschweren.«
»Aber schauen Sie sich doch Mandela an«, meinte der Aufseher, »der beschwert sich nicht jeden Tag.«
»Ach«, sagte Tefu verächtlich, »Mandela ist ein kleiner Junge, der Angst vor dem weißen Mann hat. Ich weiß nicht mal, wer er ist. Eines Morgens wachte ich auf und entdeckte, daß in
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