Der lange Weg zur Freiheit
Ziegeln, die mir so vertraut war. Aber ich war jetzt ein abgeurteilter Häftling und nicht jemand, der auf seinen Prozeß wartete, und so wurde ich nicht einmal mehr mit jenem Minimum an Respekt behandelt, das letzterem zuteil wird. Ich mußte mich meiner Kleidung entledigen, und Colonel Jacobs war endlich imstande, meinen Kaross zu konfiszieren. Ich erhielt die Standarduniform für afrikanische Häftlinge: ein Paar kurze Hosen, ein grobes Khakihemd, eine Drillichjacke, Socken, Sandalen und eine Stoffkappe. Nur Afrikaner bekommen kurze Hosen, denn nur afrikanische Männer werden von den Behörden als »Boys« eingestuft.
Ich teilte den Behörden mit, ich würde unter keinen Umständen Shorts tragen, und erklärte ihnen auch, ich sei bereit, deshalb vor Gericht zu protestieren. Als man mir später mein Essen brachte, steifes kaltes Porridge mit einem halben Teelöffel voll Zucker, weigerte ich mich, das zu essen. Colonel Jacobs überdachte die Sache und schlug dann eine Lösung vor: Ich könne lange Hosen tragen und mein eigenes Essen haben, falls ich einwilligte, isoliert untergebracht zu werden. »Wir wollten Sie mit anderen Politischen zusammenlegen«, sagte er, »aber jetzt werden Sie allein sein, Mann. Hoffentlich haben Sie Spaß daran.« Ich versicherte ihm, Einzelhaft sei mir recht, solange ich tragen und essen könne, was ich wolle.
Für die nächsten Wochen war ich völlig isoliert. Ich sah weder das Gesicht noch hörte ich die Stimme eines anderen Gefangenen. Ich war 23 Stunden pro Tag eingesperrt, mit je einer halben Stunde körperlicher Übung morgens und nachmittags. Ich war nie zuvor in Einzelhaft gewesen, und jede Stunde erschien mir wie ein Jahr. In meiner Zelle gab es kein natürliches Licht; über mir brannte eine einzelne Glühbirne 24 Stunden am Tag. Ich hatte keine Armbanduhr, und oft glaubte ich, es sei mitten in der Nacht, obwohl es erst später Nachmittag war. Ich hatte nichts zu lesen, nichts, worauf oder womit ich schreiben konnte, und niemanden, mit dem ich hätte sprechen können. Der Verstand beginnt, sich mit sich selbst zu beschäftigen, und man wünscht sich verzweifelt etwas außerhalb von sich, auf das man seine Aufmerksamkeit richten kann. Ich habe Männer gekannt, die ein halbes Dutzend Hiebe der Einzelhaft vorzogen. Nach einiger Zeit in Isolation genoß ich sogar die Gesellschaft von Insekten in meiner Zelle und ertappte mich dabei, daß ich im Begriff war, mit einer Kakerlake ein Gespräch aufzunehmen.
Ein afrikanischer Wärter mittleren Alters kam mir zuweilen zu Gesicht, und eines Tages versuchte ich, ihn mit einem Apfel zu bestechen und dazu zu bewegen, mit mir zu sprechen. »Baba«, sagte ich, was Vater bedeutet und eine respektvolle Anrede ist, »darf ich Ihnen einen Apfel geben?« Er wandte sich ab und bedachte all meine folgenden Versuche mit Schweigen. Schließlich erklärte er: »Mann, du wolltest lange Hosen und besseres Essen, und jetzt hast du beides und bist immer noch nicht glücklich.« Er hatte recht. Nichts wirkt entmenschlichender als die Abwesenheit menschlicher Gesellschaft. Nach einigen Wochen war ich soweit, meinen Stolz runterzuschlucken und Colonel Jacobs zu sagen, daß ich meine langen Hosen für ein wenig Gesellschaft eintauschen würde.
Während jener Wochen hatte ich sehr viel Zeit, über mein Schicksal nachzudenken. Der Platz eines Freiheitskämpfers ist bei seinen Leuten, nicht hinter Gittern. Die Kenntnisse und die Kontakte, die ich kurz zuvor in Afrika gewonnen hatte, waren eingesperrt, statt im Kampf genutzt zu werden. Ich verfluchte die Tatsache, daß meine Expertise nicht dazu verwandt werden würde, um eine Freiheitsarmee aufzustellen.
Bald begann ich heftig gegen die Umstände, unter denen ich lebte, zu protestieren, und verlangte, mit den anderen politischen Gefangenen im Pretoria Local zusammengelegt zu werden. Unter ihnen war Robert Sobukwe. Meine Forderung wurde schließlich erfüllt, begleitet von einer strengen Warnung von Colonel Jacobs, es werde ernste Konsequenzen nach sich ziehen, sollte ich wieder unverschämt werden. Ich glaube nicht, daß ich mich je im Leben so darauf gefreut habe, Reisbrei zu essen.
Abgesehen von meinem Wunsch nach Gesellschaft war ich auch begierig darauf, mich mit Sobukwe und den anderen, von denen die meisten dem PAC angehörten, zu unterhalten, denn ich meinte, wir könnten vielleicht im Gefängnis jene Einheit schmieden, die uns draußen nicht gelang. Die Bedingungen im Gefängnis sind
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