Der lange Weg zur Freiheit
Zeuge: »Sie haben kein Wahlrecht, soweit es das Parlament betrifft.«
NM: »Ja, davon spreche ich. Ich spreche vom Parlament und anderen Regierungsgremien in diesem Land, den Provinzräten, den Stadträten. Sie haben kein Wahlrecht?«
Zeuge: »Das ist richtig.«
NM: »Würden Sie mir zustimmen, daß es in jedem zivilisierten Land auf der Erde ein Skandal wäre, wenn ein Premierminister es unterließe, einen Brief zu beantworten, der lebenswichtige Fragen aufwirft, welche die Mehrheit der Bürger jenes Landes betreffen. Würden Sie dem nicht zustimmen?«
Zeuge: »Ich stimme dem nicht zu.«
NM: »Sie stimmen nicht zu, daß es unzulässig ist, wenn ein Premierminister einen Brief ignoriert, der lebenswichtige Themen zur Sprache bringt, welche die überwältigende Mehrheit der Bürger jenes Landes berühren?«
Zeuge: »Dieser Brief ist vom Premierminister nicht ignoriert worden.«
NM: »Beantworten Sie nur die Frage. Halten Sie es für richtig, daß ein Premierminister nicht auf Fragen antwortet, die von der überwältigenden Mehrheit der Bürger des Landes zu lebenswichtigen Themen gestellt werden? Würden Sie sagen, das ist ein Fehler?«
Zeuge: »Der Premierminister hat auf den Brief geantwortet.« NM: »Mr. Barnard, ich möchte nicht unhöflich zu Ihnen sein. Würden Sie sich darauf beschränken, meine Fragen zu beantworten. Die Frage, die ich Ihnen stelle, lautet: Sind Sie nicht der Meinung, daß es höchst fragwürdig ist, wenn ein Premierminister nicht auf eine Kommunikation eingeht, die Fragen aufwirft, von denen die überwältigende Mehrheit des Landes berührt ist?«
Mr. Barnard und ich stimmten nie überein. Zum Schluß sagte er einfach, der Ton des Briefes sei aggressiv und unhöflich gewesen und deshalb habe der Premierminister ihn nicht beantwortet.
Im Verlauf des Verfahrens fragten mich der Magistrate und der Ankläger wiederholt nach der Anzahl der Zeugen, die ich aufzurufen beabsichtigte. Ich antwortete regelmäßig: »Ich beabsichtige, so viele Zeugen aufzurufen wie der Staatsanwalt, wenn nicht mehr.« Als der Staatsanwalt seinen Vortrag abschloß, herrschte im Gerichtssaal Stille, in Erwartung, daß ich mit meiner Verteidigung beginnen würde. Ich erhob mich, doch statt meinen ersten Zeugen aufzurufen, erklärte ich ganz sachlich, ich würde überhaupt keinen Zeugen aufrufen, und schloß meinen Fall an diesem Punkt abrupt ab. Im Saal kam Gemurmel auf, und der Ankläger rief unwillkürlich aus: »Guter Gott!«
Ich hatte das Gericht von Anfang an in die Irre geführt, denn ich wußte, die Anklage war korrekt und der Vortrag des Staatsanwalts solide, und ich sah keinen Sinn darin, Zeugen aufzurufen und mich zu verteidigen. Während meines Kreuzverhörs und meiner Versuche, den Richter zu zwingen, sich selbst für befangen zu erklären, hatte ich die Erklärungen über die Unfairneß des Gerichts abgegeben, die ich hatte vortragen wollen. Ich sah keinen Vorteil darin, Zeugen aufzurufen, um etwas zu widerlegen, was unbestreitbar war.
Der Magistrate war über meine Handlungsweise verblüfft und fragte ungläubig: »Haben Sie denn nichts weiter zu sagen?«
»Euer Ehren, ich gebe zu bedenken, daß ich keines Verbrechens schuldig bin.«
»Ist das alles, was Sie zu sagen haben?«
»Euer Ehren, mit Respekt, hätte ich mehr zu sagen gehabt, so hätte ich es gesagt.«
Der Ankläger begann in seinen Unterlagen zu kramen, um sich auf eine Erklärung vorzubereiten, die er nicht erwartet hatte, abgeben zu müssen. Er wandte sich kurz an das Gericht und forderte den Magistrate auf, mich in beiden Anklagepunkten für schuldig zu befinden. Das Gericht vertagte sich auf den nächsten Tag, an dem ich Gelegenheit haben würde, das Gericht um Strafmilderung zu bitten, bevor der Magistrate sein Urteil sprechen würde.
Am folgenden Morgen, vor Sitzungsbeginn des Gerichts, sprach ich in einem Büro unweit des Gerichtssaals mit Bob Hepple, der mich rechtlich beraten hatte, und wir begrüßten beide die Tatsache, daß am Tag zuvor die UN-Vollversammlung zum erstenmal für Sanktionen gegen Südafrika gestimmt hatte. Bob berichtete mir auch, in Port Elizabeth und in Durban seien Sabotageakte aus Anlaß der UN-Abstimmung und aus Protest gegen meinen Prozeß verübt worden. Während wir uns noch unterhielten, kam Mr. Bosch, der Ankläger, herein, und bat Bob, uns allein zu lassen.
»Mandela«, sagte er, nachdem Bob gegangen war, »ich wollte heute nicht ins Gericht kommen. Zum erstenmal in meiner Laufbahn
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