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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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sich mit uns zu treffen, und in der Unterredung drohten wir Arbeitsniederlegungen, Bummel- und Hungerstreiks an, also alle Waffen, die uns zur Verfügung standen, wenn er seinen Führungsstil nicht änderte und die Vergünstigungen, die er gestrichen hatte, zum größten Teil wieder gewährte. Er erwiderte nur, er werde über unsere Worte nachdenken. Für uns war diese Auseinandersetzung ein Sieg, denn jetzt nahm er sich in acht, und er wußte, daß Leute draußen über unsere Beschwerden Bescheid wußten. Diese Bemühungen führten schon bald zu einer Reaktion.
    Ein paar Wochen später merkten wir, daß offenbar ein wichtiger Besuch bevorstand, denn als es an diesem Tag regnete, brauchten wir im Steinbruch nicht weiterzuarbeiten, sondern wir durften uns unterstellen. Am folgenden Tag teilte man uns mit, drei Richter würden auf die Insel kommen. Die Behörden forderten uns auf, einen Sprecher zu benennen, der unsere Beschwerden vertreten sollte. Für diese Rolle wurde ich ausgewählt.
    Während ich mich auf das Gespräch mit den Richtern vorbereitete, erfuhr ich aus zuverlässiger Quelle, ein Häftling in der allgemeinen Abteilung sei kürzlich von einem Wächter schwer geschlagen worden. Die drei Richter waren Jan Steyn, M. E. Theron und Michael Corbett von der Abteilung des Obersten Gerichtshofes in der Kap-Provinz. Begleitet wurden sie von General Steyn, dem Commissioner (Oberaufseher) der Gefängnisse, und von Oberst Badenhorst. Ich traf an diesem Tag draußen, an unserer Arbeitsstelle, mit ihnen zusammen.
    General Steyn stellte mich den Richtern vor und erklärte, ich sei ausgewählt worden, um die anderen Häftlinge zu vertreten. Die Richter ließen durchblicken, sie würden selbstverständlich allein mit mir sprechen. Ich erwiderte, ich habe nichts zu verbergen und mir sei es sogar lieb, wenn General Steyn und der Oberst dabei seien. Ich merkte, daß sie über meine Erklärung verblüfft waren, und fügte hinzu, es sei nur recht und billig, wenn die beiden auf meine Vorwürfe antworten könnten. Widerwillig stimmten die Richter zu.
    Als erstes schilderte ich den jüngsten Übergriff in der allgemeinen Abteilung. Ich berichtete über die Einzelheiten, wie man sie mir mitgeteilt hatte, über die Brutalität der Schläge und darüber, wie das Verbrechen gedeckt worden war. Ich hatte kaum zu sprechen begonnen, da merkte ich, wie Badenhorst unbehaglich hin und her rutschte. Nachdem ich mit meiner Beschreibung zu Ende war, fuhr er schroff und aggressiv dazwischen: »Haben Sie den Vorfall selbst beobachtet?« In ruhigem Ton erklärte ich, ich sei nicht dabeigewesen, aber ich habe Vertrauen zu den Leuten, die mir davon erzählt hatten. Er schnaubte verächtlich und wedelte mit dem Finger vor meinem Gesicht herum. »Seien Sie vorsichtig, Mandela«, sagte er. »Wenn Sie über Dinge reden, die Sie nicht gesehen haben, bekommen Sie Schwierigkeiten. Sie wissen, was ich meine.«
    Ich überging Badenhorsts Bemerkungen und wandte mich an die Richter: »Meine Herren, Sie sehen selbst, mit was für einem Menschentyp als Kommandant wir es zu tun haben. Wenn er mir sogar hier droht, in Ihrer Gegenwart, dann können Sie sich vorstellen, was er tut, wenn Sie nicht dabei sind.« Daraufhin sagte der Richter Corbett zu den anderen: »Der Häftling hat völlig recht.«
    Im weiteren Verlauf des Treffens zählte ich unsere Beschwerden über Verpflegung, Arbeit und Ausbildung auf. Badenhorst muß innerlich gekocht haben, aber nach außen blieb er beherrscht. Als das Gespräch zu Ende war, bedankten sich die Richter bei mir, und ich verabschiedete mich.
    Ich habe keine Ahnung, was die Richter nach der Unterredung sagten oder taten, aber in den folgenden Monaten schienen Badenhorst die Hände gebunden zu sein. Die Grobheit ließ nach, und drei Monate nach dem Besuch der Richter erhielten wir das Versprechen, man werde ihn versetzen.
    Einige Tage bevor Badenhorst uns verließ, wurde ich in das Hauptbüro gerufen. General Steyn besuchte die Insel und wollte wissen, ob wir Beschwerden hätten. In Badenhorsts Anwesenheit zählte ich eine Reihe von Forderungen auf. Als ich zu Ende gesprochen hatte, sprach der Kommandant mich unmittelbar an. Er sagte, er werde die Insel verlassen, und fügte hinzu: »Ich möchte Ihnen allen viel Glück wünschen.« Ich weiß nicht, ob man mir meine Fassungslosigkeit ansah, aber ich war verblüfft. Er hatte diese Worte wie ein menschliches Wesen ausgesprochen und eine Seite von sich gezeigt, die wir nie zuvor

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