Der lange Weg zur Freiheit
ging er zu seinem Wagen zurück und fuhr weg.
Vom Auto aus gab Badenhorst seinen Leuten über Funk einen Befehl, und nach wenigen Minuten kam ein Lastwagen, der uns zurück in den Abschnitt B brachte. Man befahl uns, auf der Fahrt zu schweigen, und als wir auf dem Gefängnishof eintrafen, mußten wir in Reih und Glied antreten. Badenhorst tauchte auf und schritt vor uns auf und ab. Er schien nicht in der Lage zu sein, einen Satz ohne einen Fluch oder ein Schimpfwort auszusprechen. »Jou ma se moer« war sein Lieblingsausdruck, »Deine Mutter ist eine moer« – moer ist ein vulgäres Wort für einen intimen Teil der weiblichen Anatomie.
Mit seiner kehligen Stimme teilte er uns mit, er sei entsetzt über unsere Faulheit im Steinbruch. Deshalb, so sagte er, werde er willkürlich sämtliche Klassifizierungen mit einem Federstrich außer Kraft setzen. Zwar verabscheuten wir das Klassifizierungssystem, aber die meisten von uns waren damals zumindest in die Stufe C aufgestiegen, in der sie eine Ausbildung machen durften. Häftlingen der Stufe D gestattete man das nicht. Die Behörden bereuten, daß sie uns die Vergünstigung des Studierens gewährt hatten, und Badenhorst war gewillt, diesen Fehler zu korrigieren.
Später, als mein Ärger sich gelegt hatte, wurde mir klar, daß Badenhorsts grobe Bemerkung im Steinbruch genauer Berechnung entsprang. Man hatte ihn nach Robben Island versetzt, damit er die Ordnung wiederherstellte, und er hatte sich die Person ausgesucht, die nach seiner Vermutung der Ausgangspunkt der Unordnung war. Wie ein Lehrer, der eine widerspenstige Klasse übernimmt, versuchte er denjenigen Schüler zu disziplinieren, den er als den Hauptstörenfried ansah.
In den Isolierblock kamen Ende Mai 1971 mehrere Mitglieder der SWAPO (South-West African People’s Organization), einer mit dem ANC verbündeten Organisation, die in Namibia für die Unabhängigkeit kämpfte. Ihr Leiter war Andimba Toivo ja Toivo, ein Mitbegründer der SWAPO und bekannter Freiheitskämpfer. Wir erfuhren, sie seien in den Hungerstreik getreten, um gegen ihre Isolierung zu protestieren, und sofort entschlossen wir uns mitzumachen. Das ärgerte Badenhorst und die Behörden: Sie betrachteten es als unannehmbare Widersetzlichkeit.
Am 28. Mai wurden wir spät in der Nacht durch Geschrei und heftiges Klopfen an die Zellentüren geweckt. »Aufstehen! Aufstehen!« riefen die Wärter. Wir mußten uns ausziehen und in einer Reihe an die Wand des Gefängnishofes stellen. Die Aufseher – sie waren offensichtlich betrunken – schrien uns an und verhöhnten uns. Ihr Anführer war ein sadistischer Kerl namens Fourie, den wir unter uns »Gangster« nannten.
Es war eine eiskalte Nacht, und während wir eine Stunde lang nackt und zitternd in Reih und Glied standen, wurden unsere Zellen nacheinander durchsucht. Die Aufseher betrieben die Mißhandlung die ganze Zeit weiter. Govan bekam gegen Ende der Stunde heftige Brustschmerzen und brach zusammen. Das jagte Fourie offenbar einen Schrecken ein, und er befahl uns, in die Zellen zurückzukehren.
Die Wärter stellten alles auf den Kopf und fanden nichts. Aber die Durchsuchung schien auch nur ein Vorwand für Fouries sadistische Neigungen zu sein. Erst später erfuhren wir, daß Fourie auch in der allgemeinen Abteilung in dem Ruf stand, die Häftlinge zu quälen. Wie wir am folgenden Tag hörten, hatten die Wärter in der allgemeinen Abteilung einige Gefangene brutal geschlagen, bevor sie zu uns kamen. Später stürzten sie sich auf Toivo ja Toivo, aber der wehrte sich und schlug den Wärter zu Boden, der auf ihn eingedrungen war. Dafür wurde er schwer bestraft.
Wir reichten wegen dieser Behandlung eine formelle Beschwerde ein, die aber nicht zur Kenntnis genommen wurde. Der Vorfall ist mir besonders lebhaft im Gedächtnis geblieben, aber es war keineswegs der einzige; derartige Ereignisse waren während Badenhorsts Amtszeit eher die Regel als die Ausnahme.
Wir waren entschlossen, die Verhältnisse unter Badenhorst nicht völlig verkommen zu lassen. Wir schmuggelten Kassiber nach draußen zu unseren Leuten, damit sie sich für seine Entlassung einsetzten. Gleichzeitig beschlossen wir, unter uns eine Delegation zu bilden, die sich mit Badenhorst treffen sollte. Monatelang diskutierten wir darüber, bis wir uns allmählich auf die Zusammensetzung einigten: Walter und ich repräsentierten den ANC, und die anderen Parteien hatten ebenfalls zwei Vertreter.
Badenhorst willigte ein,
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