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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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gesehen hatten. Ich dankte ihm für seine freundlichen Worte und wünschte ihm alles Gute für seine weitere Tätigkeit.
    Über diesen Augenblick habe ich noch lange nachgedacht. Badenhorst war vielleicht der härteste und brutalste Kommandant, den wir auf Robben Island hatten. Und doch zeigte er an jenem Tag in seinem Büro, daß es in ihm auch eine andere Seite gab, eine Seite, die verborgen gewesen war, die aber noch existierte. Es war eine nützliche Erinnerung daran, daß alle Menschen, und seien sie auch scheinbar noch so kaltschnäuzig, einen anständigen Kern haben, und wenn ihr Herz angerührt wird, können sie sich ändern. Badenhorst war letztlich kein böser Mensch; die Unmenschlichkeit war ihm von einem unmenschlichen System aufgezwungen worden. Er benahm sich wie eine Bestie, weil er für bestialisches Verhalten belohnt wurde.
     
     
    Manteilte mir mit, Oberst Willemse solle Badenhorsts Nachfolger als Kommandant werden. Nach seiner Ernennung bat ich um eine Zusammenkunft mit ihm, und kurz nachdem er eingetroffen war, stattete ich ihm einen Besuch ab. Er war zwar offenkundig nicht fortschrittlich eingestellt, aber in deutlichem Gegensatz zu seinem Vorgänger war er höflich und vernünftig. Wir hofften, Badenhorsts Amtszeit würde nur eine kleine Delle in der Kurve der stetigen Verbesserung unserer Lebensumstände bleiben.
    Mit Badenhorst verließen uns auch die aggressiven jungen Aufseher, und bald darauf nahmen wir unser zwangloses Verhalten im Steinbruch und in unserem Abschnitt wieder auf. Willemse mag ein vernünftiger Mensch gewesen sein, aber als er sah, daß wir im Steinbruch mehr Zeit mit Reden als mit Arbeiten verbrachten, war er entsetzt.
    Er war erst ein paar Wochen auf der Insel, als man mich zu einer Unterredung in sein Büro bestellte. »Mandela«, sagte er freimütig, »Sie müssen mir helfen.« Ich fragte ihn, was ich tun solle. »Ihre Leute arbeiten nicht. Sie befolgen keine Befehle. Sie machen nur, was sie wollen. Das hier ist ein Gefängnis, da muß eine gewisse Disziplin herrschen. Das ist nicht nur für uns gut, sondern auch für Sie. Ein bißchen Ordnung muß sein, sonst schicken sie wieder jemanden wie den vorigen Gefängnisleiter.«
    Was der Oberst sagte, war sinnvoll. Ich hörte zu und erklärte, seine Bestrebungen seien legitim, aber ich könne erst etwas darauf erwidern, wenn ich mit allen meinen Leuten gesprochen hätte. Eine Zusammenkunft aller Häftlinge aus den Einzelzellen war damals ausdrücklich verboten. Indem ich ihn um die Genehmigung für eine solche Besprechung bat, verlangte ich eine deutlich weitere Auslegung der Regeln. Er wußte das ebensogut wie ich und wollte eine gewisse Bedenkzeit haben.
    Nach wenigen Tag ließ Willemse mir mitteilen, er werde es gestatten. Wir trafen uns alle an einem Nachmittag auf dem Hof, ohne daß wir von Aufsehern beobachtet wurden. Ich teilte den Leuten mit, was Willemse mir gesagt hatte; wenn wir jetzt kompromißbereit seien, so fügte ich hinzu, würden wir unsere Lebensbedingungen auf lange Sicht verbessern. Wir beschlossen, daß unsere Tätigkeit zumindest nach Arbeit aussehen solle, aber sie würde mit einem Tempo ablaufen, das uns angenehm war. So handhabten wir es von nun an, und vom Kommandanten kamen keine Beschwerden mehr.
     
     
    In den Jahren 1971 und 1972, in der ersten Phase von Willemses Amtszeit, gab es einen ständigen Zustrom von gefangengenommenen MK-Soldaten. Diese Leute hatten Kämpfe mitgemacht und waren über den Zustand der Exilbewegung gut informiert. Ich war zwar nie froh, wenn ich ein ANC-Mitglied im Gefängnis sah, aber diese Leute wollte ich nach ihrer Ankunft unbedingt sprechen. Insbesondere war ich erpicht darauf, etwas über Oliver, über die Ausbildungslager sowie über Erfolge und Mißerfolge des MK zu erfahren.
    Die Leute waren äußerst militant und konnten sich kaum an das Gefängnisleben gewöhnen. Einer der ersten war Jimmy April, ein MK-Offizier, der unter Joe Slovo ausgebildet worden war und in Rhodesien gegen den Feind gekämpft hatte. Der MK ließ nach und nach Leute mit gefälschten Personalpapieren ins Land einsickern. Einer von ihnen war Jimmy, und in Südafrika wurde er inhaftiert.
    Jimmy stillte unseren Hunger nach Kriegsberichten, aber ich nahm ihn auch beiseite und fragte ihn nach Problemen beim MK. Da ich den MK gegründet hatte und sein erster Kommandant gewesen war, sprachen Jimmy und die anderen mit mir freimütiger als mit den übrigen Häftlingen. Er berichtete mir von der

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