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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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gleich kentern. Hinter zwei jungen Aufsehern, die meine Enkelsöhne hätten sein können, erspähte ich eine Schwimmweste. Ich sagte zu mir: »Wenn dieses Schiff untergeht, werde ich meine letzte Sünde auf Erden begehen und diese beiden Jungen überrennen, um an die Schwimmweste zu kommen.« Am Ende war es aber nicht nötig.
    Im Hafen warteten weitere bewaffnete Wächter und eine kleine Menschenmenge auf uns. Angst und Abscheu auf den Gesichtern normaler Bürger zu sehen, wenn man als Häftling vorübergeführt wird, ist eine erniedrigende Erfahrung. Am liebsten hätte ich mich klein gemacht und versteckt, aber das ging nicht.
    Ich wurde von einem jungen Chirurgen untersucht; er fragte mich, ob ich früher schon einmal eine Fersenverletzung gehabt hatte. Das war tatsächlich der Fall, und zwar in Fort Hare. Damals hatte ich Fußball gespielt, und als ich einem anderen den Ball abjagen wollte, spürte ich einen brennenden Schmerz in der Ferse. Man brachte mich in das örtliche Krankenhaus – es war das erste Mal, daß ich in eine Klinik kam und einen Arzt sah. Wo ich aufgewachsen bin, gab es keinen afrikanischen Arzt, und zu einem weißen Doktor zu gehen war undenkbar.
    Der Arzt in Fort Hare untersuchte meine Ferse und sagte dann, er werde mich operieren müssen. Die Diagnose beunruhigte mich, und ich erklärte schroff, ich wolle nicht, daß er mich anfaßte. In dieser Lebensphase hielt ich es für unmännlich, wenn man zum Arzt ging, und eine medizinische Behandlung über sich ergehen zu lassen war noch schlimmer. »Wie Sie wollen«, sagte er, »aber wenn Sie alt sind, wird die Sache Ihnen noch Ärger machen.«
    Der Chirurg in Kapstadt röntgte meine Ferse und entdeckte Knochensplitter, die sich dort vermutlich seit Fort Hare befanden. Er sagte, er könne sie mit einem kleinen Eingriff unter örtlicher Betäubung hier in seiner Praxis entfernen. Ich willigte sofort ein.
    Die Operation verlief glatt, und als sie vorüber war, erklärte mir der Arzt, wie ich die Ferse versorgen mußte. Dabei unterbrach ihn sehr plötzlich der Oberaufseher, der mir mitteilte, ich müsse sofort nach Robben Island zurückkehren. Der Chirurg war darüber erbost und erklärte in sehr bestimmtem Ton, es sei erforderlich, daß Mr. Mandela über Nacht im Krankenhaus blieb, und er werde mich unter keinen Umständen sofort entlassen. Das schüchterte den Aufseher ein, und er fügte sich.
    Meine erste Nacht in einem richtigen Krankenhaus erwies sich als recht angenehm. Die Schwestern machten eine Menge Aufhebens von mir. Ich schlief sehr gut; am nächsten Morgen kamen mehrere Schwestern herein und sagten, ich solle den Pyjama und den Bademantel, die man mir gegeben hatte, behalten. Ich dankte ihnen und sagte, ich würde damit der Gegenstand des Neides aller meiner Kameraden sein.
    Der Ausflug war für mich auch noch in anderer Hinsicht lehrreich: In dem Krankenhaus hatte ich ein Tauwetter in der Beziehung zwischen Schwarzen und Weißen bemerkt. Der Arzt und die Schwestern hatten mich mit größter Selbstverständlichkeit behandelt, als hätten sie ihr ganzes Leben lang mit Schwarzen auf gleichberechtigter Ebene zu tun gehabt. Das war für mich etwas Neues, ein ermutigendes Zeichen. Es bestätigte wieder einmal meine alte Überzeugung, daß Bildung der Feind des Vorurteils ist. Das hier waren Männer und Frauen der Wissenschaft, und in der Wissenschaft war kein Platz für Rassismus.
    Ich bedauerte nur, daß ich mit Winnie keinen Kontakt hatte aufnehmen können, bevor ich in das Krankenhaus ging. In den Zeitungen waren Gerüchte aufgetaucht, ich sei in Lebensgefahr, und sie machte sich große Sorgen. Als ich zurück war, schrieb ich ihr, um ihre Ängste zu zerstreuen.
     
     
    Seit 1980 hatten wir das Recht, Zeitungen zu kaufen. Das war ein Sieg, aber wie alle Vergünstigungen hatte die Sache einen Haken. Nach der neuen Vorschrift durften Häftlinge der Gruppe A täglich eine englischsprachige Zeitung und eine in Afrikaans erwerben. Damit verbunden war aber eine ärgerliche Warnung: Ein Häftling der Gruppe A, der dabei angetroffen wurde, wie er seine Zeitung einem Gefangenen aus einer anderen Gruppe zu lesen gab, verlor die Vergünstigung. Wir protestierten gegen diese Einschränkung, aber ohne Erfolg.
    Wir erhielten zwei Tageszeitungen: die Cape Times und Die Burger. Beide waren konservative Blätter, insbesondere die zweite. Dennoch gingen die Zensoren beide Zeitungen täglich mit der Schere durch und schnitten Artikel heraus, die wir nach

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