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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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wiesen darauf hin, daß Matanzima bereits versucht hatte, sich meine Zustimmung zu sichern, indem er Columbus Madikizela, Winnies Vater, zum Landwirtschaftsminister seiner Regierung gemacht hatte. Das war nach ihrer Ansicht schon schlimm genug, auch wenn Madiba nicht einwilligte, sich mit ihm zu treffen. Ich beugte mich der Meinung der Mitglieder im allgemeinen Abschnitt und teilte den Behörden mit, bedauerlicherweise könne ich einen Besuch meines Neffen nicht annehmen.
    Im März 1982 teilte mir die Gefängnisverwaltung mit, meine Frau habe einen Autounfall gehabt und liege im Krankenhaus. Sie wußten nicht viel darüber, und ich hatte keine Ahnung, wie es ihr ging und was die näheren Umstände waren. Ich warf den Behörden vor, sie hielten Informationen zurück, und stellte einen Dringlichkeitsantrag auf einen Besuch meines Anwalts. Die Behörden benutzten die Informationen als Waffe, und das mit Erfolg. Ich dachte nur noch an die Gesundheit meiner Frau, bis ich am 31. März einen Besuch von Winnies Anwalt, meinem Freund Dullah Omar, erhielt. Dullahs Bericht über Winnie erleichterte mich. Sie hatte sich mit einem Auto überschlagen, aber es ging ihr gut. Es war ein kurzes Treffen, und als man mich wieder in den Abschnitt B zurückbrachte, war ich in Gedanken immer noch bei Winnie, und das mit dem quälenden Gefühl der Ohnmacht und der Unfähigkeit, ihr zu helfen.
    Ich war noch nicht lange wieder in meiner Zelle, da bekam ich Besuch vom Kommandanten und einer Reihe anderer Gefängnisbeamter. Das war höchst ungewöhnlich; normalerweise suchte der Kommandant die Häftlinge nicht in ihren Zellen auf. Als sie kamen, stand ich auf, und der Kommandant betrat tatsächlich meine Zelle. Für uns beide war darin kaum genügend Platz.
    »Mandela«, sagte er, »ich möchte, daß Sie Ihre Sachen packen.«
    Ich fragte ihn, warum.
    »Wir verlegen Sie«, sagte er einfach.
    Wohin?
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen«, erwiderte er.
    Ich verlangte zu wissen, warum. Er erklärte, er habe aus Pretoria die Anweisung erhalten, mich sofort von der Insel wegzubringen. Anschließend ging der Kommandant nacheinander zu den Zellen von Walter, Raymond Mhlaba und Andrew Mlangeni, um ihnen den gleichen Befehl zu erteilen.
    Ich war unruhig und verwirrt. Was hatte das zu bedeuten? Wohin würde man uns bringen? Wenn man im Gefängnis einen Befehl bekommt, kann man nur bis zu einem gewissen Punkt Fragen stellen und sich widersetzen, dann muß man ihn befolgen. Es hatte keine Warnung, keine Vorzeichen gegeben. Ich war seit über 18 Jahren auf der Insel, und jetzt sollte ich sie so plötzlich verlassen?
    Man gab jedem von uns mehrere große Pappkartons, in denen wir unsere Sachen verstauen sollten. Alle Habseligkeiten, die sich in fast zwei Jahrzehnten angesammelt hatten, paßten in diese paar Schachteln. Das Packen dauerte kaum mehr als eine halbe Stunde.
    Im Korridor gab es einen Aufruhr, als die anderen Männer erfuhren, daß wir abreisten, aber wir hatten keine Zeit, uns von unseren langjährigen Kameraden richtig zu verabschieden. Das ist eine weitere Demütigung im Gefängnis: Die Bande der Freundschaft und Loyalität zu anderen Häftlingen gelten den Behörden nichts.
    Wenige Minuten später befanden wir uns auf der Fähre nach Kapstadt. Im schwindenden Licht blickte ich auf die Insel zurück, ohne zu wissen, ob ich sie jemals wiedersehen würde. Man kann sich an alles gewöhnen, und ich hatte mich an Robben Island gewöhnt. Fast zwei Jahrzehnte hatte ich dort gewohnt, und obwohl die Insel nicht zur Heimat geworden war – meine Heimat war Johannesburg –, hatte ich mich dort schließlich wohl gefühlt. Ich fand Veränderungen immer schwierig, und als ich Robben Island verließ, war es nicht anders – obwohl ich dort Schlimmes erlebt hatte. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete.
    Im Hafen wurden wir von bewaffneten Wächtern umringt und in einen fensterlosen Lastwagen gestoßen. Wir standen zu viert im Dunkeln, und der Wagen fuhr offenbar weit über eine Stunde. Wir passierten mehrere Kontrollstellen, und schließlich hielten wir an. Die Hecktür öffnete sich, und wir wurden einige Betonstufen hoch durch eine Stahltür in eine weitere Sicherheitseinrichtung geführt. Es gelang mir, einen Wächter zu fragen, wo wir waren. »Im Pollsmoor-Gefängnis«, sagte er.

 
10. Teil
Reden mit dem Feind
     
     
     
    Das Hochsicherheitsgefängnis Pollsmoor liegt am Rande einer wohlhabenden weißen Vorstadt namens Tokai mit grünen Rasenflächen

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