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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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daß mein Volk und ich selbst eines Tages frei sein würden.
     
     
    Eigentlichwar vorgesehen, daß ich wie vor mir mein Vater zum Berater des Königs der Thembu werden sollte. Obwohl ich einen anderen Weg einschlug, versuchte ich auf meine eigene Weise, den Aufgaben gerecht zu werden, für die ich ausgebildet worden war. Ich tat mein möglichstes, um vom Gefängnis aus mit dem König in Verbindung zu bleiben und ihn so gut ich konnte zu beraten. Als ich älter wurde, kreisten meine Gedanken immer öfter um die grünen Hügel der Transkei. Zwar würde ich nie unter Aufsicht der Regierung dorthin ziehen, aber ich träumte davon, eines Tages in eine freie Transkei zurückzukehren. Deshalb war ich zutiefst bestürzt, als ich 1980 erfuhr, daß König Sabata Dalindyebo, das Oberhaupt der Thembu, von meinem Neffen K. D. Matanzima, dem Premierminister der Transkei, abgesetzt worden war.
    Eine Gruppe von Thembu-Häuptlingen drängte darauf, mich umgehend zu besuchen; die Behörden genehmigten das Treffen – sie waren in der Regel bereit, Besuche traditioneller Stammesführer zu unterstützen, denn je mehr ich in Angelegenheiten der Stämme und der Transkei verwickelt wurde, desto weniger, so glaubten sie, würde ich mich für den Kampf engagieren.
    Die Regierung unterstützte die Macht der traditionellen Häuptlinge als Gegengewicht zum ANC. Viele meiner Kameraden waren der Meinung, wir sollten uns von diesen Häuptlingen distanzieren, aber ich neigte dazu, ihnen die Hand zu reichen. Stammeshäuptling und gleichzeitig ANC-Mitglied zu sein ist kein Widerspruch. Das war der Anlaß für eine der längsten und heikelsten Diskussionen, die wir auf der Insel führten: ob der ANC sich an Institutionen beteiligen sollte, die von der Regierung finanziert wurden. Viele betrachteten das als Kollaboration. Auch hier war es nach meiner Überzeugung wichtig, zwischen Prinzip und Taktik zu unterscheiden. Entscheidend war für mich eine taktische Frage: Wird unsere Organisation eher durch die Beteiligung an solchen Institutionen gestärkt oder eher, indem wir sie boykottieren? In diesem Fall würde uns die Beteiligung nach meiner Ansicht stärker machen.
    Das Treffen mit den Häuptlingen fand in einem großen Raum des Besucherbereichs statt. Sie erklärten mir ihr Dilemma: Vom Gefühl her standen sie auf seiten Sabatas, aber sie fürchteten sich vor Matanzima. Nachdem ich mir ihren Bericht angehört hatte, riet ich ihnen, Sabata zu unterstützen und sich gegen Matanzima zu stellen, denn dieser eignete sich widerrechtlich und in beschämender Weise die Macht des Königs an. Ich hatte Verständnis für ihre Lage, aber Matanzimas Handlungsweise konnte ich nicht gutheißen. Deshalb bat ich sie, Sabata mitzuteilen, daß ich auf seiner Seite stand und Matanzimas Verhalten mißbilligte.
    Auch Matanzima wollte mich besuchen, um über Sabata und über Familienangelegenheiten zu sprechen. Als mein Neffe bemühte er sich schon seit Jahren um ein solches Treffen. Obwohl er behauptete, er wolle familiäre Fragen diskutieren, würde dieser Besuch politische Folgen haben. Schon als er das erste Mal anfragte, legte ich das Thema dem High Organ und den ANC-Leuten in unserem Abschnitt vor. Manche zuckten nur mit den Schultern und sagten: »Er ist dein Neffe; er hat das Recht, dich zu besuchen.« Raymond, Govan und Kathy bestanden aber darauf, man könne einen solchen Besuch zwar als Familienangelegenheit abtun, aber viele Leute im Gefängnis und draußen würden ihn so interpretieren, als unterstützte ich den Mann und seine Politik. Tatsächlich war das der eigentliche Grund, warum Matanzima mich besuchen wollte und warum ich einen solchen Besuch nicht annehmen konnte.
    Ich verstand ihre Argumente und stimmte zum größten Teil mit ihnen überein, aber andererseits wollte ich mich mit meinem Neffen treffen. Ich habe persönlichen Begegnungen und meiner Fähigkeit, einen Menschen dabei umzustimmen, immer ein vielleicht zu hohes Gewicht beigemessen. Ich hoffte, ich könne Matanzima zu einer anderen Politik bewegen.
    Schließlich faßten die ANC-Leute in unserem Abschnitt den Entschluß, sich einem Besuch nicht zu widersetzen. Im Interesse der Demokratie berieten wir die Angelegenheit anschließend auch mit unseren Leuten in F und G, und die waren steinhart dagegen. Steve Tshwete, eine der Führungsfiguren des ANC im allgemeinen Abschnitt, war der Ansicht, ein solcher Besuch werde Matanzima politisch helfen und komme deshalb nicht in Frage. Viele von ihnen

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