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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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geworden waren. Das Blatt wendete sich zu unseren Gunsten.
    Im Zuge der wachsenden Offenheit auf der Insel hatten wir jetzt auch ein eigenes Kino. Fast jede Woche sahen wir Filme, die in einem großen Nachbarraum unseres Korridors auf ein Bettlaken projiziert wurden. Später gab es eine richtige Leinwand. Es waren herrlich unterschiedliche Filme, eine anregende Abwechslung in dem freudlosen Gefängnisleben.
    Die ersten Streifen, die wir zu sehen bekamen, waren Hollywood-Action-Stummfilme in Schwarzweiß sowie Western, die noch vor meiner Zeit aktuell gewesen waren. Einer der ersten war nach meiner Erinnerung »Im Zeichen des Zorro« mit dem säbelrasselnden Douglas Fairbanks, ein Film aus dem Jahr 1920. Die Behörden hatten offenbar eine Schwäche für alte Filme, vor mallem für solche mit einer strengen Moral. Weitere Streifen, die wir in der ersten Zeit – jetzt mit Ton und in Farbe – sahen, waren »Die Zehn Gebote« mit Charlton Heston als Moses, »Der König und ich« mit Yul Brynner und »Kleopatra« mit Richard Burton und Elizabeth Taylor.
    Besonders gefesselt waren wir von »Der König und ich«, denn dieser Film zeichnete für uns den Konflikt zwischen Ost und West nach und schien zu zeigen, daß der Westen eine Menge vom Osten lernen kann. »Kleopatra« war umstritten; viele Kameraden nahmen Anstoß daran, daß die ägyptische Königin von einer amerikanischen Schauspielerin mit rabenschwarzen Haaren und violetten Augen gespielt wurde, so schön sie auch sein mochte. Die Lästerer behaupteten, der Film sei ein Beispiel für westliche Propaganda und wolle die Tatsache aus der Welt schaffen, daß Kleopatra eine Afrikanerin war. Ich berichtete von meiner eigenen Reise nach Ägypten, wo ich eine ausgezeichnete Skulptur einer jungen Kleopatra mit ebenholzfarbiger Haut gesehen hatte.
    Später sahen wir auch südafrikanische Filme mit schwarzen Stars, die wir alle aus den alten Zeiten kannten. An solchen Abenden hallte unser kleines Behelfskino von Schreien, Pfiffen und Beifall wider, wenn wir einen alten Bekannten bei seinem Auftauchen auf der Leinwand begrüßten. Noch später durften wir uns Dokumentarfilme aussuchen – dieses Genre bevorzugte ich –, und ich ließ immer mehr Spielfilme aus (allerdings versäumte ich nie einen mit Sophia Loren). Die Dokumentarfilme wurden bei der Staatsbibliothek bestellt und meist von Ahmed Kathrada ausgesucht, dem Bibliothekar unseres Blocks. Besonders betroffen machte mich ein Bericht über die großen Seeschlachten des Zweiten Weltkriegs mit Wochenschauaufnahmen von der Versenkung der H. M. S. Prince of Wales durch die Japaner. Am meisten bewegte mich dabei eine kurze Szene mit Winston Churchill, der weinte, als er vom Verlust des britischen Schiffes hörte. Das Bild blieb mir lange im Gedächtnis; es zeigte mir, daß ein politischer Führer in bestimmten Augenblicken seine Trauer öffentlich zeigen kann, ohne sich damit in den Augen seines Volkes herabzusetzen.
     
     
    Ein weiterer Dokumentarfilm handelte von den Hell’s Angels, einer umstrittenen amerikanischen Motorradgruppe. Sie wurden in dem Bericht als gnadenlos, gewalttätig und gesellschaftsfeindlich dargestellt, die Polizei dagegen war freundlich, aufrecht und vertrauenswürdig. Als der Film zu Ende war, diskutierten wir sofort über seine Aussage. Fast ohne Ausnahme kritisierten die Männer die Hell’s Angels wegen ihrer Gesetzlosigkeit. Aber dann stand Strini Moodley auf, ein kluges junges Mitglied der Black Consciousness Movement, und warf den Versammelten vor, sie hätten den Kontakt zur Gegenwart verloren und die Motorradfahrer seien das Ebenbild der Schüler von Soweto, die sich 1976 gegen die Behörden aufgelehnt hatten. Er meinte abschätzig, wir seien ältere Intellektuelle aus der Mittelschicht, die sich nicht mit den Motorradfahrern, sondern mit den rechtsgerichteten Behörden in dem Film identifizierten.
    Strinis Anschuldigungen verursachten einen Aufruhr; mehrere Männer standen auf und widersprachen ihm: Sie meinten, man könne die Hell’s Angels nicht in Schutz nehmen und es sei eine Beleidigung, unseren Kampf mit dieser Bande verdorbener Außenseiter zu vergleichen. Ich selbst jedoch dachte über Strinis Worte nach, und obwohl ich nicht seiner Meinung war, kam ich ihm zu Hilfe. Die Hell’s Angels seien zwar unsympathisch, sagte ich, aber sie waren doch die Rebellen, die sich gegen die Behörden stellten, auch wenn sie widerwärtige Rebellen waren.
    Die Hell’s Angels interessierten mich

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