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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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ich hätte ein Stück geräucherten Schinken gekauft, den man gleich essen könne. Dies war für mich etwas völlig Neues, doch statt meine komplette Unwissenheit zu bekennen, sagte ich ihr, ich wisse, was geräucherter Schinken sei, doch wollte ich ihn gern ein wenig aufgewärmt haben. Sie wußte, daß ich bluffte, doch sie lief jedenfalls davon. Das Fleisch war sehr schmackhaft.
    In Alexandra erneuerte ich meine Freundschaft mit der lebhaften, stets vergnügten Ellen Nkabinde, die ich von Healdtown her kannte und die damals an einer der Township-Schulen unterrichtete. Tatsächlich war es mehr als nur Freundschaft, denn Ellen und ich verliebten uns ineinander. In Healdtown hatte ich sie nur flüchtig gekannt, und erst als wir uns in Alexandra wiedersahen, gedieh unser Verhältnis. Die wenige freie Zeit, die ich in jenen Monaten hatte, verbrachte ich mit Ellen. Liebe hatte es damals schwer. Stets waren Leute um uns, und es gab wenige Orte, wohin man gehen konnte. Nur draußen im Freien, unter der Sonne oder den Sternen, konnten wir allein ein. Und so wanderten Ellen und ich im Feld und zu den Hügeln rings um die Township. Meistens gingen wir nur, und wenn wir die Zeit hatten, gönnten wir uns vielleicht ein Picknick.
    Ellen war eine Swazi, und wenn in der Township das Gefühl für Stammeszugehörigkeit schwand, so verurteilte doch ein enger Freund von mir meine Beziehung zu Ellen rein aus Stammesgründen. Ich wies dies kategorisch zurück. Doch unsere unterschiedliche Herkunft warf gewisse Probleme auf. Mrs. Mabutho, die Frau des Reverends, mochte Ellen nicht, und zwar hauptsächlich deshalb, weil sie eine Swazi war. Eines Tages, als ich mich im Haus der Mabuthos befand, klopfte es an die Tür, und Mrs. Mabutho öffnete. Draußen stand Ellen, die nach mir suchte. Mrs. Mabutho erklärte ihr, ich sei nicht da. Erst später teilte mir Mrs. Mabutho mit: »Ach, Nelson, da war irgendein Mädchen, das nach Ihnen gefragt hat.« Mrs. Mabutho fragte mich sodann: »Ist das Mädchen eine Shangaan?« Die Shangaans sind zwar ein stolzer, edler Stamm, doch die Bezeichnung Shangaan galt damals als Schimpfwort. Ich erwiderte ungehalten: »Nein, sie ist keine Shangaan, sie ist eine Swazi.« Nach Mrs. Mabuthos fester Überzeugung sollte ich nur ein Xhosa-Mädchen wählen.
    Doch solche Meinungen beirrten mich nicht. Ich liebte und respektierte Ellen und setzte mich über die Ratschläge derer hinweg, die mir abrieten. Die Beziehung war für mich etwas Neues, und ich kam mir recht verwegen vor, ein Verhältnis mit einer Frau einzugehen, die keine Xhosa war. Ich war ein junger Mann, der sich in der Stadt ein wenig verloren vorkam, und Ellen spielte nicht nur die Rolle einer Liebespartnerin, sondern auch die einer Mutter, die mir beistand und mir Selbstvertrauen, Kraft und Hoffnung gab. Aber schon nach wenigen Monaten zog Ellen fort, und traurigerweise verloren wir uns aus den Augen.
    Die Familie Xhoma hatte fünf Töchter, jede von ihnen war lieblich, die lieblichste aber war Didi. Didi war etwa in meinem Alter und verbrachte den größten Teil der Woche als Hausmädchen in einem weißen Vorort von Johannesburg. Als ich zu den Xhomas zog, sah ich sie anfangs nur selten und sehr flüchtig. Später jedoch, als ich sie richtig kennengelernt hatte, verliebte ich mich in sie. Doch Didi nahm kaum Notiz von mir, allenfalls von der Tatsache, daß ich nur einen einzigen geflickten Anzug und ein einziges Hemd besaß, und daß ich kaum anders aussah als ein Tramp.
    Jedes Wochenende kehrte Didi nach Alexandra zurück. Begleitet wurde sie von einem jungen Mann, der, wie ich annahm, ihr Freund war, ein auffälliger, offenbar wohlhabender Kerl, der ein Auto besaß, was ganz unüblich war. Er trug teure amerikanische Zweireiher und Hüte mit breiter Krempe und verwendete viel Mühe auf sein Äußeres. Er muß irgendeine Art Gangster gewesen sein, doch bin ich mir nicht sicher. Er pflegte draußen im Hof zu stehen, die Hände in der Weste, und überlegen dreinzuschauen. Er grüßte mich höflich, doch konnte ich sehen, daß er mich nicht für einen Konkurrenten hielt.
    Ich war in Didi verliebt und wollte ihr das gestehen, fürchtete jedoch, daß meine Avancen unerwünscht sein würden. Ich war nicht gerade ein Don Juan. Linkisch und zögerlich gegenüber Mädchen, kannte und verstand ich die romantischen Spiele nicht, die andere mühelos zu spielen schienen. Am Wochenende bat Didis Mutter sie manchmal, mir einen Teller mit Essen zu bringen. Didi erschien

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