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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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anders lebte als ein Afrikaner.
     
     
    DasLeben in Alexandra war aufregend und gefährlich zugleich. Die Atmosphäre war voller Leben, es herrschte ein abenteuerlicher Geist, und die Menschen waren erfindungsreich. Obwohl die Township etliche hübsche Gebäude besaß, konnte man sie durchaus als Slum bezeichnen, als lebendes Zeugnis für die Vernachlässigung durch die Behörden. Die schmutzigen Straßen waren ungepflastert und voller hungriger, unterernährter Kinder, die halbnackt herumliefen. Die Luft war geschwängert vom Rauch der Holzkohlenfeuer unter den Blechrosten und in den Herden. Ein einziger Wasserhahn diente mehreren Häusern. Neben der Straße lagen Lachen von stinkendem, stehendem Wasser voller Maden. Alexandra wurde »Dunkle Stadt« genannt, weil es dort keinerlei Elektrizität gab. Nachts nach Hause zu gehen war gefährlich, denn es gab keine Lichter, und die Stille wurde zerrissen von Schreien, Gelächter und gelegentlichen Schüssen. Die Dunkelheit war so anders als in der Transkei, wo sie einen zu umarmen schien.
    Die Township war schrecklich überfüllt, jeder Quadratmeter trug ein Behelfshaus oder eine Wellblechhütte. Wie so oft an verzweifelt armen Orten kamen die schlimmsten Elemente ans Ruder. Leben war billig; nachts herrschten Pistole und Messer. Gangster – »Tsotsis« genannt, mit Schnapp- oder Springmessern bewaffnet – gab es in Mengen; in jenen Tagen äfften sie amerikanische Filmstars nach und trugen weiche Filzhüte, Zweireiher und breite, bunte Krawatten. Polizeirazzien waren in Alexandra ein regelmäßiges Vorkommnis. Routinemäßig nahm die Polizei Unmengen von Menschen fest, weil sie im Besitz von Alkohol waren, keine Ausweispapiere hatten oder weil sie die Kopfsteuer nicht bezahlt hatten. An fast jeder Ecke standen Shebeens, illegale Kneipen, nichts als Buden, wo selbstgebrautes Bier ausgeschenkt wurde.
    Aber trotz der höllischen Aspekte des Lebens in Alexandra war die Township auch eine Art Himmel. Als eines der wenigen Gebiete des Landes, wo Afrikaner freien Grundbesitz erwerben und ihren eigenen Angelegenheiten nachgehen konnten, wo sich die Menschen nicht der Tyrannei weißer städtischer Behörden unterwerfen mußten, war Alexandra ein urbanes Gelobtes Land, Beweis dafür, daß ein Teil unserer Leute ihre Bindungen zu ländlichen Gebieten gelöst hatten und dauerhaft Stadtbewohner geworden waren. Um die Afrikaner zu bewegen, auf dem Land zu bleiben oder unten in den Minen zu arbeiten, hatte die Regierung stets behauptet, Afrikaner seien von Natur aus Landmenschen, ungeeignet für das Stadtleben. Trotz all ihrer Probleme und Mängel strafte Alexandra diese Behauptung Lügen. Seine Bevölkerung, die allen afrikanischen Sprachgruppen entstammte, war an das Stadtleben gut angepaßt und politisch bewußt. Städtisches Leben hatte die Tendenz, ethnische und Stammesunterschiede zu verwischen, und statt Xhosas, Sothos, Zulus oder Shangaans waren wir Alexandrianer. Dies erzeugte ein Gefühl von Solidarität, das bei den weißen Behörden große Sorge hervorrief. Die Regierung hatte Afrikanern gegenüber stets die Taktik des Teilens und Herrschens angewandt, und sie brauchte die Stärke ethnischer Schranken zwischen ihnen. Doch in Orten wie Alexandra schwanden diese Unterschiede.
    Alexandra nimmt in meinem Herzen einen besonderen Platz ein. Obwohl ich später in Orlando, einem kleinen Viertel von Soweto, weitaus länger wohnte als in Alexandra, habe ich die Township Alexandra stets als Heimat betrachtet, wo ich kein besonderes Haus hatte, und Orlando als Ort, wo ich ein Haus hatte, aber keine Heimat.
    In jenem ersten Jahr in Alexandra lernte ich mehr über Armut als während meiner gesamten Kindheit in Qunu. Ich schien niemals Geld zu haben, und ich schaffte es, mit geringsten Mitteln zu überleben. Die Anwaltskanzlei zahlte mir zwei Pfund monatlich und hatte großzügig auf die Prämie verzichtet, die Ausbildungsclerks der Kanzlei üblicherweise bezahlen. Von diesen zwei Pfund zahlte ich für meinen Raum bei den Xhomas pro Monat dreizehn Shillings und vier Pence. Das billigste Beförderungsmittel von und nach Alexandra war der »Eingeborenenbus« – nur für Afrikaner –, der mit einem Pfund und zehn Pence pro Monat mein Einkommen erheblich beschnitt. Außerdem mußte ich Gebühren an die University of South Africa entrichten, um meine Studien beenden zu können. Ein weiteres Pfund etwa ging für Lebensmittel drauf. Ein Teil meines Gehalts wurde auf eine noch wichtigere

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