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Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Anstrengung um das Heft gekrampft und starrte auf die Gouachen. Alles, was er und Anne vor dem Spiegel getan hatten, alles, was in seinem Kopf seither wohl Hunderte von Malen aufgetaucht, verblaßt und wieder aufgetaucht war, hatte dieser Mann gemalt ! Auch die drei zerrissenen Zeichnungen in Annes Zimmer waren hier fast detailgleich enthalten. Wie kam der daran ? Hatte Anne für ihn skizziert ? Martin riß die Seiten aus dem Heft, bezahlte und ließ es verstümmelt liegen, ohne die empörten und ängstlichen Blicke der Buchhändlerin wahrzunehmen.
    Er holte den Wagen und raste zum Landhaus. Es war nicht schwierig, einzubrechen, nach wenigen Minuten war er drinnen, der marode Klappladen hatte ebensowenig Widerstand geleistet wie das Glas in der Tür.
    Er sah sich um nach etwas Schwerem und griff schließlich nach dem Tisch, den er hochhob und mit Wucht gegen den Spiegel schleuderte. Die Scherben knirschten und klirrten unter seinen Schuhsohlen, als er in den schmalen Raum hinter dem Spiegel trat.
    Ein Büro oder Abstellraum vermutlich, dessen Tür zum Flur führte und, nach Martins Erinnerung, verschlossen gewesen war. Da stand noch das Stativ mit der Videokamera, und es war nicht mehr nötig, eine Spiegelscherbe aufzuheben, um zu sehen, ob sie von einer Seite durchsichtig war.

25.
     
    Die herausgerissenen Seiten warf er vor Anne auf den Küchentisch. Sie sah nicht auf, stützte nur ihre Stirn in die Hand und schwieg. »Ich hab es nicht gewußt«, sagte sie nach einiger Zeit so leise, daß er es fast nicht verstand, »damals nicht. Glaub mir doch wenigstens das.« Er drehte sich um und ging.

49.
     
    Rudis Gesicht ist tränenüberströmt. Seine Hände vor den Schlüsselbeinen, als wolle er sie vor die Augen schlagen und bringe die Gebärde nicht zu Ende, zittern, und er starrt mit entsetztem Blick auf die sich auflösenden Bilder. Es ging alles sehr schnell. Weder Rudi noch die Gäste wußten, wie ihnen geschah, als Roy den kleinen Feuerlöscher von der Schulter nahm und die Bilder eilig und präzise eines nach dem anderen mit Säure besprühte.
    Die Vernissagenbesucher, eben noch mit Plaudern, Gelächter und dem Betrachten der Bilder beschäftigt, stehen starr und weichen nur zurück, wenn Roy sie mit ausgestreckter Hand anweist, von der gefährlichen Substanz in seiner Flasche Abstand zu halten. Sie lassen es einfach geschehen. Rudi stürzt sich erst nach dem siebten zerstörten Bild auf Roy und tritt ihn so ins Kreuz, daß ein lautes Knacken ertönt und Roy, wie vom Blitz erschlagen, zu Boden geht.

50.
     
    Martin tritt aus der Tür, geht über die Straße, zur Via del Corso, dann in Richtung Piazza Vittorio Emanuele, am Denkmal vorbei durch den dichten Verkehr und über die Via dei Fori Imperiali bis zum Eingang des Forum Romanum. Er stellt sich in die Reihe hinter eine Schulklasse aus dem Ruhrgebiet. Er wirft den gestohlenen Ausweis in einen Papierkorb. Er kauft eine Tageskarte.
    Er geht über den rötlichen Schotter. Er hat gehofft, es würde sich gut anfühlen. Das tut es nicht.
     

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