Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
Vom Netzwerk:
Iphigénie winkte sie in die Loge.
    »Möchten Sie etwas trinken? Sie sehen ziemlich mitgenommen aus …«
    Sie reichte ihr ein Glas Cola und bot ihr einen Stuhl an.
    »Was haben Sie denn getan, dass er derart außer sich geraten ist?«, fragte Joséphine, die sich allmählich von ihrem Schreck erholte.
    »Ich putze den Müllraum ja. Ehrlich. Ich tue wirklich mein Bestes. Aber ständig wirft jemand da seinen Dreck auf den Boden. Ich traue mich gar nicht, Ihnen zu erzählen, was da manchmal rumliegt! Und wenn ich mal ein, zwei Tage vergesse reinzuschauen, ist es ruck, zuck dreckig! Aber das Haus ist groß, und ich kann nicht überall sein …«
    »Wissen Sie, wer das macht?«
    »Woher denn? Ich schlafe nachts. Ich bin müde. Dieses Haus macht eine Heidenarbeit. Und nach Feierabend muss ich mich ja auch noch um die Kinder kümmern!«
    Joséphine ließ den Blick durch die Hausmeisterloge gleiten. Ein Tisch, vier Stühle, ein abgewetztes Sofa, eine alte Anrichte, ein Fernseher, eine Küchenecke, deren Resopalbeschichtung absplitterte, auf dem Boden ein alter gelber Linoleumbelag und im Hintergrund, durch einen weinroten Vorhang abgetrennt, eine düstere Kammer.
    »Ist das das Zimmer der Kinder?«, fragte Joséphine.
    »Ja, und ich schlafe auf dem Sofa. Eigentlich könnte ich auch gleich draußen im Flur schlafen. Die ganze Nacht hindurch höre ich, wie die Eingangstür zufällt, wenn die Leute spät nach Hause kommen. Und jedes Mal sitze ich senkrecht im Bett …«
    »Hier müsste mal wieder gestrichen werden, und neue Möbel wären auch nicht schlecht … Es ist alles ein bisschen trist.«
    »Deshalb färbe ich meine Haare so bunt!«, entgegnete Iphigénie lächelnd. »Das bringt Sonne ins Haus …«
    »Wissen Sie, was wir tun werden, Iphigénie? Wenn Sie morgen Mittagspause haben, fahren wir zu Ikea und kaufen ein: Betten für die Kinder, einen Tisch, Stühle, Vorhänge, Kommoden, ein Sofa, ein Sideboard, Teppiche, eine Küche, Kissen … und danach fahren wir zu Bricorama, suchen schöne Farben aus und streichen alles neu! Dann brauchen Sie sich nicht länger die Haare zu färben.«
    »Und von welchem Geld, Madame Cortès? Soll ich Ihnen meinen Lohnzettel zeigen? Da kommen Ihnen die Tränen!«
    »Ich bezahle das.«
    »O nein, das sage ich Ihnen gleich, das kommt überhaupt nicht infrage!«
    »Und ich sage Ihnen, doch! Geld nimmt man nicht mit ins Grab. Ich habe alles, was ich brauche, und Sie haben nichts. Und genau dazu ist Geld da: Um die Löcher zu stopfen.«
    »Nein, nein und nochmals nein, Madame Cortès!«
    »Auch gut, wenn Sie nicht mitgehen, fahre ich eben allein und lasse alles vor Ihre Tür liefern. Sie kennen mich nicht, ich bin stur.«
    Die beiden Frauen starrten einander schweigend an.
    »Aber wenn Sie mitkommen, können Sie selbst aussuchen, was Sie bekommen, wir haben nicht zwangsläufig den gleichen Geschmack.«
    Iphigénie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und runzelte die Stirn. An diesem Tag leuchtete ihr Haar in einem Mandarinenorange, das hier und da einen Gelbstich aufwies. Im Licht der alten Stehlampe sah es fast so aus, als schlügen kleine Flammen aus ihrem Kopf.
    »Es wäre wirklich besser, wenn Sie die Farbe an der Wand hätten und nicht auf dem Kopf«, sagte Joséphine schmollend.
    Iphigénie strich sich mit der Hand durchs Haar.
    »Ich weiß, diesmal ist es schiefgegangen … aber es ist ja auch nicht gerade praktisch, die Dusche ist draußen im Hof, da gibt es kein Licht, und ich schaffe es nicht immer, lange genug Mittagspause zu machen. Außerdem beeile ich mich im Winter lieber, sonst bekomme ich noch einen Schnupfen!«
    »Die Dusche ist draußen im Hof?«, entfuhr es Joséphine.
    »Ja … neben dem Müllraum …«
    »Das ist doch nicht möglich!«
    »Doch, Madame Cortès, doch …«
    »Also gut«, beschloss Joséphine. »Morgen fahren wir!«
    »Nein, Madame Cortès, das möchte ich nicht!«
    Joséphine bemerkte die kleine Clara, die im Durchgang zum Kinderzimmer stand. Sie war ein überraschend ernstes Mädchen mit traurigem, resigniertem Blick. Ihr Bruder Léo hatte sich neben sie gestellt; jedes Mal, wenn Joséphine ihm zulächelte, versteckte er sich hinter seiner Schwester.
    »Ich finde Sie ein bisschen egoistisch, Iphigénie. Mir scheint, Ihre Kinder würden gern in einem Regenbogen wohnen …«
    Iphigénie schaute zu ihren Kindern hinüber und zuckte mit den Schultern.
    »Sie sind es nicht anders gewöhnt.«
    »Ich fände es schön, wenn das Zimmer rosa angestrichen

Weitere Kostenlose Bücher