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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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auszugeben. In High Heels und Businesskostüm arbeitete sie von morgens bis abends. Was nützt mir da das ganze Geld? Und mit wem soll ich es ausgeben? Mit meinem Spiegelbild? Sie war übersättigt, hatte genug von diesem Leben und wartete ängstlich auf den Moment, in dem der Ekel kommen würde.
    Sie war diesen Überfluss nicht gewöhnt. Aus ihrer Kindheit in Lons-le-Saunier erinnerte sie sich an den bedächtigen Rhythmus der Jahreszeiten, an den schmelzenden, in der Regenrinne perlenden Schnee, den erstaunten Vogel, der seinen ersten Frühlingsruf erschallen lässt, an die sich öffnende Blume, die Sau, die sich in der Suhle wälzt, den klebrigen Schmetterling, der aus seinem Kokon schlüpft, die Kastanie, die in der Lochpfanne aufplatzt. Tief in ihr drin sagte eine leise Stimme: zu schnell, zu hohl, zu beliebig. Und mittlerweile konnte sie die Augen auch vor einer weiteren Tatsache nicht mehr verschließen: Sie war einsam.
    Sie war zu alt, um das Interesse der jungen chinesischen Milliardäre zu wecken, und die Ausländer, die sie kennenlernte, trugen alle einen Ehering. Sie hatte ihre Hoffnungen in Louis Montbazier, einen Hersteller von Elektroartikeln, gesetzt. Drei Abende hintereinander war sie mit ihm ausgegangen, drei Abende voller Lachen und Händchenhalten, und sie sah sich bereits den Umzug nach Blois organisieren und die Fernsehgebühren mit ihm teilen, doch am vierten Abend hatte er ihr ein Leporello mit Bildern von seiner Frau und seinen Söhnen unter die Nase gehalten. Schon gut, ich hab’s kapiert, hatte sie bei sich gedacht. Als er sie später nach Hause gebracht hatte, hatte sie sich geweigert, ihn zu küssen.
    Endgültig hatten ihre Alarmglocken zu schrillen begonnen, als Mister Wei ihr eine Reise nach Kilifi verweigerte. Sie wollte noch einmal auf den Spuren der jungen Mylène wandeln, die aus Courbevoie geflohen war, wollte die träge Luft Afrikas atmen, über die weißen Sandstrände laufen, die gelben Augen der Krokodile wiedersehen.
    »Auf keinen Fall«, hatte er gekeift. »Sie bleiben hier und arbeiten.«
    »Aber ich will doch nur ein bisschen entspannen und auf andere Gedanken kommen …«
    »Nicht gut«, hatte er erwidert. »Überhaupt nicht gut. Sie nicht weggehen. Sie labil. Sie gefährlich für Sie selbst. Ich achten auf Sie, in Ihrem eigenen Interesse. Ich Ihren Pass in meinem Tresor.«
    Und er hatte sehr laut gehustet, um ihr zu verstehen zu geben, dass die Diskussion beendet war. Sie war eine Gefangene dieses gierigen alten Chinesen, der auf seinem Abakus sein Geld zählte und sich mit gespreizten Beinen an den Eiern kratzte.
    »What a pity! « , hatte sie geantwortet.
    »What a pity! What a pity!«, hatten die beiden süßen Mädchen gerufen und den Topf mit dem verkohlten Braten geschwenkt. Wie zwei kleine Teufel waren Hortense und Zoé aus ihrer Schachtel geschnellt. Sie fehlen mir so! Manchmal redete sie beim Einschlafen mit ihnen. Spielte Mutter. Nähte einen Saum fest, bügelte eine Hose, strich ihnen eine Locke aus der Stirn. Sie haben sich sicher verändert. Ich würde sie nicht mehr wiedererkennen. Sie würden mich von Weitem mustern, mir die kalte Schulter zeigen wie einer Fremden. Ich bin entwurzelt, lebe im Exil …
    In einer mehrere Wochen alten französischen Zeitung hatte sie einen Bericht über Aufstände chinesischer Bauern gelesen. Sie wehrten sich dagegen, dass man ihnen ihr Land wegnahm, um darauf Fabriken zu bauen. Die Armee hatte die Aufständischen schnell zur Räson gebracht, aber die Ruhe würde nicht von Dauer sein. Die schönen Plakate mit den französischen Lilien an den Strohlehmwänden würden abgerissen werden. Das wäre der Anfang vom Ende.
    Als Mylène Corbier am nächsten Morgen aufstand, beschloss sie, die nächste Phase ihres Lebens in Angriff zu nehmen: die Rückkehr nach Frankreich.
    Und dazu brauchte sie Marcel Grobz.
    Henriette frohlockte: Sie war im Parc Monceau Josiane und dem jungen Kindermädchen begegnet. Josiane war in einer fürchterlichen Verfassung! Ein Gespenst. Fehlten nur noch die Spinnweben an ihren knochigen Handgelenken. Mit krummem Rücken schlich sie auf dicken Kreppsohlen vorwärts. Sie wankte nach rechts, wankte nach links, der Mantel aus marineblauem Gabardine schlackerte um ihre magere Gestalt, und ihr dünnes, kraftloses Haar flatterte im Wind. Das Kindermädchen ließ sie nicht aus den Augen und führte sie am Arm. Auf jeder Bank machten sie Pause.
    Es funktionierte! Chérubines Zauber wirkte tatsächlich! Nicht zu

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