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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Niemand spricht darüber, weil wir Quadratwurzeln im Hirn haben, aber es existiert wirklich.«
    »In Voodoo-Ländern, in Haiti oder Ouagadougou!«
    »Nein. Überall. Jemand spricht einen Fluch aus, und sein Opfer wird das Unglück nicht mehr los. Es verfängt sich in einem klebrigen Netz. Es kann sich nicht mehr bewegen, es kann nichts mehr tun, ohne Unheil heraufzubeschwören. Neulich wollte Choupette mit dem Kleinen raus in den Park, und was ist passiert? Sie hat sich den Knöchel verstaucht, und jemand hat ihr die Handtasche geklaut! Als sie versucht hat, eins von meinen Hemden zu bügeln, hat das Bügelbrett Feuer gefangen, und vor zwei Tagen hat sie ein Taxi genommen, um zum Friseur zu fahren, und gleich bei der ersten Kreuzung ist ihnen einer reingefahren …«
    »Aber wer sollte sie so sehr hassen, dass er sie tot sehen will? Dass er euch beide tot sehen will?«
    »Keine Ahnung. Ich wusste ja nicht mal, dass es so etwas überhaupt gibt. Also …«
    Er hob einen Arm und ließ ihn schwer wieder auf den Tisch fallen.
    »Gut, dann müssen wir das als Erstes herausfinden … Bist du im Geschäft in letzter Zeit jemandem auf die Füße getreten?«
    Marcel schüttelte den Kopf.
    »Nicht mehr als sonst. Ich mache keine linken Touren, das weißt du doch.«
    »Bist du mit jemandem aneinandergeraten?«
    »Nein. Im Gegenteil, ich bin die Liebenswürdigkeit in Person. Ich bin so glücklich, dass um mich herum auch alle glücklich sein sollen. Meine Angestellten sind die bestbezahlten auf der ganzen Welt, die Zulagen würden selbst den sturköpfigsten Gewerkschafter erweichen, ich verteile den Gewinn ganz gewissenhaft, und du weißt doch, dass ich sogar einen Kindergarten für die Angestellten eingerichtet und einen Boule-Platz für die Mittagspause habe anlegen lassen … Fehlen nur noch die Bar und der Strand, dann ist meine Firma der reinste Ferienklub! Oder nicht?«
    Nachdenklich setzte sich Ginette neben ihn.
    »Deshalb kommt sie uns nicht mehr besuchen«, sagte sie nach einer Weile.
    »Wie soll sie dir das denn erklären? Sie schämt sich, zu allem Überfluss. Wir waren bei sämtlichen Spezialisten, Dutzende CT s, Röntgenaufnahmen, Untersuchungen. Aber keiner hat was gefunden. Nichts!«
    Auf dem Sofa versuchte Junior, das Telefonbuch zu entziffern. Was für ein merkwürdiges Kind! Ginette beobachtete ihn eine Weile. In seinem Alter spielen Babys mit ihren Händen, ihren Zehen, einem Plüschtier, aber sie lesen keine Telefonbücher!
    Er hob den Blick und musterte sie. Er hatte die gleichen blauen Augen wie sein Vater.
    »Fä-häx!«, stammelte er sabbernd. »Fä-häx.«
    »Was sagt er?«, fragte Ginette.
    Marcel richtete sich benommen auf. Junior wiederholte sein Gestammel. Seine Stimmbänder waren zum Zerreißen gespannt, und rote Flecken zeichneten sich an seinem Hals ab. Ein Dreieck aus violetten Adern war zwischen seinen Augen aufgeleuchtet. Er steckte seine ganze Babyenergie in das Bemühen, sich verständlich zu machen.
    »Verhext«, übersetzte Marcel.
    »Das hatte ich auch so verstanden! Aber wie …«
    »Schau doch mal nach. Wahrscheinlich hat er gerade eine Anzeige für einen dieser durchgeknallten Hexer gesehen!«
    Meine Güte, dachte Ginette. Wenn das so weitergeht, dreh ich auch noch durch!
    Mylène war genervt: In ihrem Bad fielen die Fliesen von der Wand, und jetzt hatte sie auch noch den Türgriff in der Hand. »Verdammter Mist!«, rief sie. »Ich wohne erst seit neun Monaten in dieser Wohnung, und sie fällt schon auseinander!« Ganz zu schweigen von dem Regal über ihrem Bett, das auf sie runtergekracht war, von den Sicherungen, die ständig Kurzschlüsse verursachten und mitten in der Nacht ein Feuerwerk abbrannten, und vom Kühlschrank, dessen Lüftung die Wohnung in eine Sauna verwandelte.
    Wenn sie jemanden kommen ließ, um etwas zu reparieren, hielt es gerade so lange, bis der Mann zur Tür hinaus war, dann fing alles wieder an zu bröckeln. Ich halte das hier nicht mehr aus. Ich habe die Nase voll davon, mit den Händen zu reden oder Englisch zu kauderwelschen, jeden Abend schrille Karaoke-Shows im Fernsehen anzuschauen, von Menschen umgeben zu sein, die in aller Öffentlichkeit spucken, rülpsen, furzen und durch die Essensreste waten, die auf dem Boden landen. Ja, sie lachen den ganzen Tag und sprühen vor Energie, ja, man braucht sich hier nur zu bücken, um ein Vermögen aufzuheben, aber ich bin es leid. Ich will die Ufer der Loire, einen Mann, der abends nach Hause kommt, Kinder, denen ich

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