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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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pergamentenen Gesicht betrachtete. So entrüstet gefällt sie ihm bestimmt. Sie war erregt, und ihre blassen Wangen hatten Farbe bekommen. Sie ist tatsächlich noch schöner, wenn sie lebhafter wird. Was konnte sie mit zwanzig schon vom Leben wissen? Sie konnte sich verteidigen, das gewiss, aber mit dem Ungestüm der Jugend. Und das schien den eleganten Mann zu erzürnen.
    Er hatte sich den Regenmantel unter den Arm geklemmt und schickte sich an, aus der Brasserie zu stürmen und die Rechnung der Libelle zu überlassen.
    »Mann … wie blöd kann man denn sein! Ich habe Ihnen doch gesagt, dass wir für so was eine Versicherung haben!«, wiederholte Valérie, als er sich zum Gehen wandte. »So ein Trottel!«
    Monsieur Sandoz glaubte schon, der elegante Mann werde sie schlagen. Er deutete die Bewegung an, riss sich jedoch zusammen und ging wutschäumend hinaus.
    Die Libelle war sitzen geblieben und wartete darauf, dass die Kellnerin ihm die Rechnung brachte. Als sie sie auf den Tisch legte, streichelte er mit seinen langen, dünnen Fingern ihre Hand.
    »Sag mal, geht’s noch, du perverser alter Dracula! Jetzt fängst du auch noch an!«, rief sie und starrte ihn aus zornglühenden Augen an.
    In gespielter Zerknirschtheit senkte er den Kopf und verschwand aus dem Lokal.
    »Mann, Mann, Mann! Die sind doch alle gleich! Versuchen ständig, mich anzugraben! Und keiner kommt auf die Idee, mich zu fragen, was ich davon halte …«
    Monsieur Sandoz musterte sie belustigt. Es waren sicher viele, die sie »angruben«.
    Er betrachtete sie noch eine Weile. Sie trug silberne Ringe an allen Fingern, was wie ein Schlagring wirkte. Um sich zu verteidigen? Um aufdringliche Gäste abzuwehren? Zwei Männer, die am Tresen lehnten, beobachteten sie, und als sie zu ihnen zurückkam, gratulierten sie ihr. Monsieur Sandoz probierte das Kartoffelpüree, es war beinahe kalt, und er beeilte sich, es aufzuessen, ehe es völlig auskühlte. Es war hastig aus Fertigflocken zusammengerührt worden, und er wusste, dass solches Zeug sich schnell in Gips verwandelte.
    Als er schließlich die Hand hob, um einen Kaffee und die Rechnung zu bestellen, hatte sich das Lokal geleert. Die Kellnerin achtete darauf, nichts umzustoßen, als sie zu ihm kam.
    »Passiert Ihnen so etwas wie vorhin öfter?«, fragte er, während er in seiner Tasche nach Kleingeld suchte.
    »Keine Ahnung, was mit den Leuten hier in Paris los ist. Sie sind so furchtbar angespannt, dass sie jeden Moment hochgehen können!«
    »Sind Sie nicht von hier?«
    »Nein!«, antwortete sie, nun wieder heiter. »Ich komme aus der Provinz, und ich kann Ihnen sagen, in der Provinz flippen wir nicht so schnell aus! Wir lassen es ruhiger angehen.«
    »Und was hat Sie hierher zu den Ausgeflippten verschlagen?«
    »Ich will ans Theater, mit dem Job hier finanziere ich meinen Schauspielunterricht … Die zwei von vorhin sind mir schon häufiger aufgefallen, immer gestresst, immer unfreundlich und nie auch nur einen Cent Trinkgeld! Als wäre ich ihr Dienstmädchen!«
    Sie erschauerte, und ihr fröhliches Lächeln erlosch.
    »Machen Sie sich nichts draus! So schlimm ist das doch nicht …«, sagte Monsieur Sandoz.
    »Sie haben recht!«, antwortete sie. »Paris ist wirklich eine schöne Stadt, wenn man die Leute ignoriert!«
    Monsieur Sandoz stand auf. Er ließ einen Fünfeuroschein auf dem Tisch liegen. Sie dankte ihm mit einem strahlenden Lächeln.
    »Sie hingegen … Sie versöhnen mich wieder mit den Männern! Ich kann Ihnen nämlich noch ein Geheimnis verraten: Ich mag Männer nicht …«
    »Und? Hat sie dir geantwortet?«, wollte Dottie wissen.
    Heute Abend gingen sie in die Oper.
    Ehe er Dottie abholte, hatte er mit Alexandre zu Abend gegessen. »Maman hat angerufen, sie will Freitag herkommen und hat gesagt, du sollst sie zurückrufen«, hatte sein Sohn gesagt, den Blick auf sein durchgebratenes Steak gerichtet, während er die Pommes frites zur Seite schob, die er sich für später aufbewahrte. Das Steak aß er, weil er musste, die Fritten, weil er sie mochte.
    »Aha …«, hatte Philippe überrascht entgegnet. »Hatten wir fürs Wochenende etwas geplant?«
    »Nicht dass ich wüsste …«, hatte Alexandre kauend geantwortet.
    »Denn wenn du sie sehen willst, kann sie gerne kommen. Wir sind nicht zerstritten, weißt du.«
    »Ihr habt einfach nur unterschiedliche Vorstellungen vom Leben …«
    »Ganz genau. Du hast es verstanden.«
    »Kann sie Zoé mitbringen? Ich würde Zoé gerne wiedersehen. Sie

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