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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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fehlt mir …«
    Er hatte das »sie« betont, als wäre ihm der Vorschlag seiner Mutter vollkommen gleichgültig.
    »Ich denke darüber nach«, hatte Philippe geantwortet und sich im Stillen gesagt, dass das Leben ziemlich kompliziert wurde.
    »In Französisch sollten wir eine Geschichte in höchstens zehn Wörtern erzählen … Willst du wissen, wie ich das geschafft habe?«
    »Natürlich …«
    »Er kam an ihre Schießbude und verknallte sich …«
    »Super!«
    »Ich habe die beste Note bekommen. Gehst du heute Abend weg?«
    »Ich gehe mit einer Freundin in die Oper. Dottie Doolittle.«
    »Aha … Wenn ich älter bin, nimmst du mich dann mit in die Oper?«
    »Versprochen.«
    Er hatte seinen Sohn zum Abschied geküsst und war zu Fuß zu Dotties Wohnung spaziert. Er hatte gehofft, ihm würde unterwegs eine Lösung einfallen. Er hatte keine Lust, Iris wiederzusehen, aber er wollte sie auch nicht daran hindern, ihren Sohn zu besuchen, oder sie brüskieren, indem er von Trennung und Scheidung sprach. Sobald es ihr wieder besser geht, werde ich mit ihr darüber reden, hatte er sich vorgenommen, ehe er bei Dottie Doolittle klingelte. Er schob diese Aussprache immer wieder vor sich her.
    Mit einem Glas Whisky in der Hand saß er nun auf dem Rand der Badewanne und sah zu, wie Dottie sich schminkte. Jedes Mal, wenn er das Glas hob, stieß sein Ellbogen gegen den Plastikduschvorhang, auf dem sich eine strahlend schöne Marilyn in den Hüften wiegte. Vor ihm hantierte Dottie in schwarzer Strumpfhose und schwarzem BH mit Döschen, Pinseln und Puderquasten. Wenn ihr ein Strich oder eine Farbschicht misslang, fluchte sie wie ein Kutscher und begann von vorn.
    »Na, sag schon. Hat sie dir geantwortet oder nicht?«
    »Nein.«
    »Gar nichts? Nicht mal eine Wimper in einen Umschlag gesteckt?«
    »Nichts …«
    »Wenn ich irgendwann einmal sehr verliebt in einen Jungen bin, dann werde ich ihm mit der Post eine Wimper schicken. Das ist ein echter Liebesbeweis, weißt du, denn Wimpern wachsen nicht nach. Man wird mit einem bestimmten Vorrat geboren, und den darf man nicht verschwenden …«
    Sie hatte ihr Haar mit zwei großen Klammern zusammengefasst; sie sah aus wie ein Teenager, der sich heimlich schminkt. Sie griff nach einem Döschen mit schwarzer Paste und einer kleinen Bürste mit starren Borsten, spuckte und rieb anschließend mit der Bürste über den schwarzen Schlamm. Philippe verzog das Gesicht. Den Blick starr auf ihr Spiegelbild gerichtet, strich sie einen dicken schwarzen Klecks auf ihre Wimpern. Sie spuckte, rieb, bürstete und begann wieder von vorn. Vier Durchgänge, die von Geschick und Routine erzählten.
    »Wegen eines solchen Satzes wird sich irgendwann ein Mann in dich verlieben«, sagte er, um sie daran zu erinnern, dass er nicht dieser Mann war.
    »Hübsche Männer, die sich in Worte verlieben, gibt es doch gar nicht mehr. Die wachsen heutzutage mit dem Gameboy auf, das ist ihr einziger Gesprächspartner.«
    Ein Wassertropfen fiel vom Duschkopf auf seinen Kragen, und er rutschte ein Stück zur Seite.
    »Deine Dusche tropft …«
    »Die tropft nicht. Wahrscheinlich habe ich den Hahn nicht richtig zugedreht.«
    Mit geöffnetem Mund und nach oben gerichtetem Blick tuschte sie sich die Wimpern, wobei sie darauf achtete, dass die schwarze Paste nicht verlief. Sie trat einen Schritt zurück, prüfte ihr Spiegelbild, schnitt eine Grimasse und begann von Neuem.
    »Sie ist dem Geist von Sacha Guitry nicht erlegen«, sprach Philippe nachdenklich weiter. »Dabei war der Satz so schön …«
    »Dir fällt schon noch etwas anderes ein. Ich werde dir dabei helfen. Niemand weiß besser, wie man eine Frau verführt, als eine andere Frau! Ihr habt das mittlerweile einfach nicht mehr drauf!«
    Sie biss sich auf die Lippen und musterte sich kritisch im Spiegel. Schob den Zeigefinger in ein Papiertuch, um die winzige Falte sauber zu wischen, die sich mit Schwarz füllte. Hob mit chirurgischer Präzision ein Augenlid, fuhr mit dem grauen Eyeliner über das untere Lid, schloss das Auge und ließ den Pinsel darübergleiten. Als sie es wieder öffnete, glich sie einer hingerissenen Nofretete. Mit einem raschen, Komplimente heischenden Hüftschwung drehte sie sich zu ihm um.
    »Sehr hübsch!«, sagte er mit einem flüchtigen Lächeln.
    »Das ist doch spannend, findest du nicht?«, fragte sie, während sie die Prozedur am anderen Auge wiederholte. »Wir tun uns zusammen, um eine Frau zu verführen!«
    Er beobachtete sie, fasziniert vom

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