Der langsame Walzer der Schildkroeten
geworden, bei denen sich würdevolle Väter in wutschnaubende Choleriker verwandelt hatten.
Manche vertrieben sich die Wartezeit mit Zeitunglesen, einige Mütter plauderten miteinander und tauschten die Adressen von Nachhilfelehrern, Informationen über Ferienkurse oder die Telefonnummern von Au-pair-Mädchen aus. Andere klebten mit dem Ohr am Handy, und wieder andere schließlich versuchten sich an die Spitze der Schlange vorzuschmuggeln, was laute Proteste auslöste.
Sie bemerkte ihren Nachbarn, Monsieur Lefloc-Pignel, der gerade einen Klassenraum verließ. Er winkte ihr freundlich zu. Sie lächelte zurück. Er war allein, ohne seine Frau. Dann war sie endlich an der Reihe. Miss Pentell versicherte ihr, dass alles in Ordnung sei, Zoé habe ein sehr gutes Niveau, eine perfekte Aussprache, beherrsche die Sprache Shakespeares bemerkenswert gut, und ihr Verhalten im Unterricht sei vorbildlich. Von ihrer Seite gebe es nichts Besonderes zu besprechen. Joséphine errötete angesichts so vieler Komplimente und stieß beim Aufstehen den Stuhl um.
Auch bei den Lehrern für Mathematik, Spanisch, Erdkunde sowie Biologie und Umweltkunde sammelte sie Lob und Lorbeeren ein. Alle beglückwünschten sie zu einer so klugen, humorvollen, gewissenhaften Tochter. Und eine gute Mitschülerin noch dazu. Wir haben sie zur Tutorin eines Jungen mit schulischen Problemen ernannt. Joséphine nahm das Lob an, als gelte es ihr selbst. Auch sie liebte gewissenhaftes Arbeiten, Perfektion und Sorgfalt. Sie strahlte vor Glück und machte sich beschwingt auf den Weg zu ihrem letzten Termin bei Madame Berthier.
Monsieur Lefloc-Pignel wartete vor der Tür des Klassenzimmers. Sein Gruß war weniger herzlich als noch vorhin. Er lehnte am Rahmen der offenen Tür und klopfte mit dem Zeigefinger gleichmäßig gegen das Türblatt. Das irritierende Geräusch schien Madame Berthier zu stören, denn sie hob den Kopf und bat erschöpft: »Könnten Sie bitte damit aufhören?«
Auf einem Stuhl neben ihr lag ihr praller grüner Strickhut.
»Sie kommen dadurch auch nicht schneller dran, und ich kann mich nicht konzentrieren«, ergänzte sie.
Monsieur Lefloc-Pignel tippte auf das Zifferblatt seiner Armbanduhr, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass sie Verspätung hatte. Sie nickte, breitete machtlos die Hände aus und beugte sich zu einer Mutter vor, die, offensichtlich verzweifelt, mit hängenden Schultern vor ihr saß. Monsieur Lefloc-Pignel beherrschte sich einen Moment und nahm dann sein Hämmern wieder auf.
»Monsieur Lefloc-Pignel«, sagte Madame Berthier, nachdem sie einen Blick auf die Liste mit den Namen der Eltern geworfen hatte, »ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie in Ruhe abwarten könnten, bis Sie an der Reihe sind.«
»Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich an Ihre Sprechzeiten halten könnten. Sie haben schon fünfunddreißig Minuten Verspätung! Das ist inakzeptabel.«
»Ich werde mir so viel Zeit nehmen wie nötig.«
»Was für eine Lehrerin sind Sie, wenn Sie nicht wissen, dass Pünktlichkeit eine Tugend ist, die man seinen Schülern vermitteln sollte?«
»Und was für ein Vater sind Sie, wenn Sie nicht fähig sind, anderen zuzuhören und sich anzupassen?«, versetzte Madame Berthier. »Wir sind hier nicht in einer Bank, wir kümmern uns um Kinder.«
»Sie haben mich nicht zu belehren!«
»Wie schade«, sagte Madame Berthier lächelnd, »ich hätte Sie gerne als Schüler, dann bliebe Ihnen nichts anderes übrig, als sich zu fügen!«
Zornig fuhr er auf, als hätte sie ihn beleidigt.
»Es ist immer das Gleiche«, sagte er zu Joséphine. »Die ersten Termine gehen noch, aber danach geraten sie immer weiter in Verzug. Keine Disziplin! Und die lässt mich auch noch jedes Mal absichtlich warten! Sie glaubt zwar, ich würde es nicht merken, aber da hat sie sich getäuscht!«
Er hatte die Stimme erhoben, damit Madame Berthier ihn hören konnte.
»Wussten Sie, dass sie die Kinder in die Comédie-Française geschleift hat? Abends, unter der Woche! Darüber sind Sie doch informiert, nicht wahr?«
Madame Berthier war mit ihrer Klasse in den Cid gegangen. Zoé war begeistert gewesen. Sie hatte die Elenden gegen Verse aus dem Cid eingetauscht, wandelte in tragischer Pose durch den Flur und deklamierte: »O Wut! Verzweiflung! feindlich Greisenalter! War solcher Schmach mein Leben aufgespart?«
Joséphine musste sich zusammenreißen, um angesichts dieses bartlosen Don Diego im rosa Schlafanzug nicht laut loszulachen.
»Sie waren erst um
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