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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Kommando aufgestickt war, seines Amtes waltete. Ich habe diese Schürze behalten und trage sie jetzt noch.
    Ihr Blick fiel auf den bleichen, schlaffen Truthahn, der auf dem Metzgerpapier lag. Gerupft, die Flügel angelegt, der pralle Bauch von schwarzen Pünktchen übersät, präsentierte er sich ungeschönt als jammervoller Inbegriff des geschlachteten Geflügels. Neben ihm lag ein Messer mit langer, funkelnder Klinge.
    Madame Berthier war erstochen worden. Sechsundvierzig Messerstiche mitten ins Herz. Man hatte sie leblos und mit gespreizten Beinen auf dem Rücken liegend gefunden. Joséphine war aufs Polizeirevier gerufen worden. Die Beamtin hatte eine Verbindung zwischen den beiden Überfällen hergestellt. Gleiche Umstände, gleiche Vorgehensweise. Sie hatte erneut schildern müssen, wie Antoines Schuh über ihrem Herzen sie gerettet hatte. Capitaine Gallois, mit der sie schon beim ersten Mal gesprochen hatte, hörte mit zusammengekniffenen Lippen zu. Joséphine konnte ihre Gedanken lesen: »Die ist von einem Latschen gerettet worden.«
    »Sie sind ein wandelndes Wunder«, hatte die Polizistin kopfschüttelnd gesagt, als könnte sie es nicht fassen. »Auf Madame Berthier wurde mit unglaublicher Wucht eingestochen. Die Stiche sind zwischen zehn und zwölf Zentimeter tief. Der Mann ist stark; und er kann mit Messern umgehen, das ist kein Amateur.«
    Bei diesen makabren Zahlen hatte Joséphine die Hände zwischen ihre Oberschenkel geklemmt, um ihr Zittern zu unterdrücken.
    »Die Schuhsohle muss ja ziemlich dick gewesen sein«, sagte Capitaine Gallois, wie um sich selbst zu überzeugen. »Er hat in beiden Fällen direkt aufs Herz gezielt.«
    Sie hatte sie gebeten, Antoines Paket vorbeizubringen, damit sie es untersuchen konnten.
    »Kannten Sie Madame Berthier?«
    »Sie war die Klassenlehrerin meiner Tochter. Wir sind einmal abends zusammen von der Schule nach Hause gegangen. Ich hatte sie aufgesucht, um mit ihr über Zoé zu reden.«
    »Kam Ihnen etwas von dem, worüber Sie sich unterhalten haben, ungewöhnlich vor?«
    Joséphine lächelte. Es war ein albernes Detail. Die Polizistin würde glauben, dass sie es absichtlich erwähnte oder sie nicht ernst nahm.
    »Ja. Wir hatten den gleichen Hut. Einen seltsamen mandelgrünen Strickhut, er war etwas ausgefallen, ich traute mich nicht, ihn aufzusetzen, und sie hat mich ermuntert, ihn zu tragen … Ich hatte immer Angst, zu sehr aufzufallen.«
    Die Frau hatte sich vorgebeugt und ein Foto in die Hand genommen.
    »Diesen Hut?«
    »Ja. An dem Abend, als ich überfallen wurde, hatte ich ihn auf«, hatte Joséphine leise geantwortet, während sie das Foto der extravaganten Kopfbedeckung betrachtete. »Ich habe ihn im Park verloren … Und danach habe ich nicht mehr gewagt, ihn zu holen.«
    »Und sonst ist Ihnen nichts aufgefallen?«
    Joséphine hatte gezögert, noch so ein albernes Detail … doch dann hatte sie hinzugefügt: »Sie mochte Mozarts Kleine Nachtmusik nicht, sie hielt sie für eintönig. Es gibt nur wenige Menschen, die sich so etwas zu sagen trauen. Aber sie hatte nicht unrecht, die Melodie ist wirklich nicht sehr abwechslungsreich.«
    Die Polizistin hatte sie mit einem halb ärgerlichen, halb abfälligen Blick gemustert.
    »Gut«, hatte sie zum Abschluss gesagt. »Halten Sie sich zu unserer Verfügung, wir rufen Sie an, wenn wir Sie noch einmal brauchen.«
    Verbindungen herstellen, Hypothesen entwickeln, Grenzen abstecken zwischen dem Möglichen und dem Unmöglichen, die Ermittlungsarbeit begann. Joséphine konnte ihnen nicht mehr helfen. Jetzt lag alles in den Händen der Kriminalpolizei. Ein Detail, ein grüner Strickhut, war der gemeinsame Nenner der beiden Überfälle. Der Mörder hatte keine Spur hinterlassen, nicht den geringsten Hinweis.
    Grenzen abstecken, eine Grenze ziehen, die nicht überschritten werden durfte, nicht mehr an Madame Berthier denken, nicht mehr an den Mörder denken. Vielleicht wohnt er hier im Viertel? Vielleicht wollte er in Wahrheit mich umbringen, als er Madame Berthier angegriffen hat? Beim ersten Mal hatte er es nicht geschafft, später hat er es wieder versucht und sich im Opfer geirrt. Er hat den Hut gesehen, er hat geglaubt, sie wäre ich, gleiche Größe, gleiche Statur … Stopp!, schrie Joséphine. Stopp! Du wirst noch den ganzen Abend verderben. Shirley, Gary und Hortense waren tags zuvor aus London angereist, und abends würden Philippe und Alexandre zum Essen kommen.
    Eine unsichtbare Mauer um mich ziehen. Wie bei

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