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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Garibaldi sprechen.
    Am nächsten Tag meldete sich Joséphine am Quai des Orfèvres 36.
    Sie wartete eine Stunde in dem langen Flur und beobachtete vorbeieilende Männer, die einander etwas zuriefen, sich mit lauter Stimme unterhielten und Türen hinter sich ins Schloss fallen ließen. Hin und wieder wehten Gelächter und Stimmen aus den Büros und verstummten, sobald die Türen wieder geschlossen wurden. Ausrufe, klingelnde Telefone, zwei, drei herausstürmende Männer, die sich im Laufen Pistolenholster unter dem Arm festschnallten. »Los, Leute, auf geht’s. Bewegung, Bewegung, wir haben ihn! Und denkt daran, immer schön ruhig bleiben!« Gedrungene Männer in Jeans und Lederjacke hasteten vorbei. Sie saß wartend inmitten dieser hektischen Betriebsamkeit und war sich jetzt nicht mehr so sicher wie noch tags zuvor, dass dieser Besuch eine gute Idee gewesen war. Die Zeit verging, sie sah auf ihre Uhr, spielte mit dem Armband, kratzte mit dem Fingernagel an der Bank, schabte ein schwarzes Kügelchen zusammen und schnippte es weg.
    Endlich rief Inspecteur Garibaldi sie in sein Büro und bat sie, Platz zu nehmen. Er trug ein schönes rotes Hemd, und sein schwarzes Haar war so straff zurückgegelt, dass es aussah, als würde es von einem Gummiband gehalten. Er musterte sie eingehend, und ihre Ohren wurden heiß. Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und erzählte ihm alles: das Gespräch mit Lefloc-Pignel, die Veränderung, die mit ihm vorgegangen war, als sie ihn beim Vornamen nennen wollte, und wie sie bei dieser Gelegenheit auch erfahren hatte, dass van den Brock ebenfalls Hervé hieß.
    »Wissen Sie, wenn ich an sie dachte, nannte ich sie immer Lefloc-Pignel und van den Brock. Als wären das ihre Vornamen. Und es sind ja auch zusammengesetzte Namen, die sind ohnehin schon lang genug, und …«
    Sie stockte kurz, und er soufflierte leise: »Fahren Sie fort, Madame Cortès …«
    »Und gestern habe ich versucht, an meiner Habilitation weiterzuarbeiten. Das ist eine sehr umfangreiche wissenschaftliche Arbeit, wissen Sie, mehrere tausend Seiten lang, die man vor einem Gremium präsentiert, das sich aus lauter Universitätsprofessoren zusammensetzt. Das ist sehr mühselig, man darf sich nicht den kleinsten Fehler erlauben. Außerdem bin ich noch sehr jung für eine Habilitation, und mir werden sie nichts durchgehen lassen …«
    Sie hob den Kopf. Er wirkte nicht genervt von ihrer umständlichen Art. Aufmunternd schaute er sie aus seinen schwarzen Augen unter einem Schirm aus buschigen Augenbrauen an. Sie fasste neuen Mut und entspannte sich. Dieser Mann war ja doch nicht so schrecklich. Sie fand ihn nicht einmal mehr bedrohlich. Er hatte sicher eine Frau, Kinder, ging abends nach Hause, sah fern und erzählte von seinem Tag. Seine Frau hörte ihm zu, während sie bügelte, er ging noch einmal zu den Kindern ans Bett und gab ihnen einen Gutenachtkuss. Ein ganz normaler Mann also.
    »Aber statt zu arbeiten, habe ich über das nachgedacht, was Sie gesagt hatten. Ich verstehe nicht, dass man mich verdächtigt. Wobei Komplizin? Weshalb Komplizin? Also habe ich vor mich hin gegrübelt. Und ich habe an Ihre Geschichte mit der 2H -Spur gedacht … Ich habe das Kürzel aufgeschrieben, aber ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Ich bin sehr sensibel, was Sprache angeht, das liegt sicher an meinem Literaturstudium, also kreisten meine Gedanken immer weiter um dieses Rätsel, als plötzlich meine jüngere Tochter hereinkam …«
    »Zoé?«, fragte Inspecteur Garibaldi.
    »Ja. Zoé.«
    Er hatte ihren Vornamen behalten. Das war ein gutes Zeichen. Vielleicht hatte er ja auch eine kleine Zoé. Bei ihrer Geburt hatten sie zwischen Zoé und Camille geschwankt, aber Joséphine war der Ansicht gewesen, dass Zoé stärker klang, dieser Name war wie eine zusätzliche Unterstützung, die sie ihr mit auf den Weg gaben. Und er bedeutete »Leben« auf Griechisch. Antoine hatte sich von ihr überzeugen lassen.
    »Zoé kam also in Ihr Zimmer, und weiter?«, riss Inspecteur Garibaldi sie aus ihren Gedanken.
    Sie sprach weiter und achtete darauf, sich möglichst klar und präzise auszudrücken. Bequem auf seinem Stuhl zurückgelehnt, hörte er ihr zu. An seinem Hemd fehlte ein Knopf. Als sie schließlich dazu kam, wie Zoé so oft »Hervé« gesagt hatte, dass sie plötzlich » 2H « mit ihren beiden Nachbarn in Verbindung brachte, rief er »Heilige Scheiße!«, und schlug mit der flachen Hand so fest auf die Schreibtischplatte, dass die

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