Der langsame Walzer der Schildkroeten
darauf stehenden Gegenstände in die Luft hüpften. Joséphine zuckte zusammen.
»Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise«, sagte er und riss sich zusammen, »aber Sie haben uns damit gerade einen gewaltigen Dienst erwiesen, Madame Cortès. Dürfte ich Sie bitten, niemandem etwas von unserem Gespräch zu erzählen? Niemandem. Haben Sie verstanden? Im Interesse Ihrer eigenen Sicherheit.«
»Ist das denn so wichtig?«, murmelte Joséphine beunruhigt.
»Gehen Sie ins Büro nebenan, dort wird jemand Ihre Aussage aufnehmen.«
»Glauben Sie, das ist wirklich notwendig?«
»Ja. Sie sind da in eine merkwürdige Geschichte verwickelt … Wir kennen die genauen Umstände noch nicht, aber möglicherweise sind Sie auf ein Detail gestoßen, das den weiteren Fortgang der Ermittlungen erheblich beeinflussen wird.«
»Glauben Sie, es hat etwas mit den Verbrechen zu tun?«
»Das habe ich nicht gesagt, nein! Und wir sind auch noch sehr weit von der Aufklärung entfernt. Aber es ist ein Detail, und bei solchen Ermittlungen bringen einen nur solche kleinen Details vorwärts … Ein Detail, dann noch ein Detail, das führt häufig zur Lösung eines Falls, der zu Beginn äußerst verworren erscheint. Man kann es sich wie ein Puzzle vorstellen …«
»Darf ich Sie fragen, warum Sie mich verdächtigt haben?«, fragte Joséphine mit neu erwachtem Mut.
»Es gehört zu unserem Beruf, das Umfeld der Opfer genau zu überprüfen. Der Täter ist häufig ein naher Verwandter oder Bekannter. Was uns bei Ihnen von Anfang an seltsam vorkam, ist Ihr Schweigen, nachdem Sie überfallen wurden. Jeder andere wäre an Ihrer Stelle sofort zur Polizei gerannt und hätte alles erzählt. Aber Sie zögern nicht nur tagelang, den Überfall zu melden, sondern weigern sich auch, Anzeige zu erstatten. Sie geben den Vorfall lediglich zu Protokoll … Als kennten Sie den Täter und wollten ihn beschützen.«
»Jetzt kann ich es Ihnen ja sagen … Ich habe tatsächlich als Erstes an Zoé gedacht, aber ich glaube, es lag auch daran, dass ich meinen Mann verdächtigt habe.«
»Antoine Cortès?«
Inspecteur Garibaldi zog eine Mappe aus seinem Stapel und öffnete sie. Er blätterte die Akte durch und las laut vor.
»Gestorben im Alter von dreiundvierzig Jahren in Kilifi, Kenia, von einem Krokodil gefressen, nachdem er zwei Jahre lang eine Krokodilfarm geleitet hatte, dies im Auftrag eines Chinesen namens Wei, wohnhaft in …«
Er spulte Antoines gesamtes Leben ab. Geburtsort und -datum, der Name seiner Eltern, seine Beziehung mit Mylène Corbier, seine Arbeit bei Gunman, seine Kontakte, seine Ausbildung, seine Kredite, seine Schuhgröße. Es fehlte nicht einmal sein übermäßiges Schwitzen. Eine Zusammenfassung des Lebens von Antoine Cortès. Joséphine lauschte verblüfft.
»Er ist tot, Madame. Das wissen Sie. Die französische Botschaft hat Ermittlungen durchgeführt und ist zu diesem Ergebnis gekommen. Was lässt Sie vermuten, dass er noch am Leben sein und seinen Tod nur vorgetäuscht haben könnte?«
»Ich dachte, ich hätte ihn eines Tages in der Métro gesehen … nein, ich bin mir sicher, dass ich ihn gesehen habe. Aber er hat so getan, als kennte er mich nicht. Und dann hat meine Tochter Zoé Briefe von ihm bekommen. Briefe in seiner Handschrift.«
»Haben Sie diese Briefe noch?«
»Meine Tochter hat sie aufbewahrt.«
»Können Sie sie mir vorbeibringen?«
»Er schrieb von seiner Genesung, davon, wie er den Angriff des Krokodils überlebt habe, und ich dachte, er sei nicht tot, ich dachte, er sei zurückgekommen und habe mir Angst machen wollen …«
»Oder Sie umbringen … Und welchen Grund sollte er dafür gehabt haben?«
»Ach, ich rede Unsinn, meine Fantasie geht mit mir durch.«
»Nein, antworten Sie.«
Joséphine rang die Hände, und ihre Ohren begannen erneut zu glühen.
»Es war im November, glaube ich. Ich war auf der Suche nach einem Thema für einen Roman, und eine Kleinigkeit genügte, um meine Fantasie anzuregen … Ich dachte, er könnte es gewesen sein, weil er schwach war, weil er um jeden Preis Erfolg haben wollte, und vielleicht verspürte er einen Groll gegen alle anderen, die es geschafft hatten. Und zuallererst gegen mich. Ich weiß, es klingt fürchterlich, aber das habe ich gedacht. In der heutigen Zeit ist es schrecklich, zu den Verlierern zu gehören. Alle trampeln auf einem herum, verachten einen. Daraus kann Hass erwachsen, Zorn, unbändige Rachegelüste …«
Die ganze Zeit über machte er sich Notizen.
»In
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