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Der Leichenkeller

Der Leichenkeller

Titel: Der Leichenkeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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schreckliches Verbrechen geschehen war, und argumentieren, dass der Frau bei der Identifikation des Angeklagten ein tragischer Irrtum unterlaufen war. Schlechte Lichtverhältnisse, undeutliche Wahrnehmung, Panik und allgemeine Hysterie waren die Standardargumente gegen eine zuverlässige Identifikation durch das Vergewaltigungsopfer. All das hatte sich geändert, als die DANN-Technologie das visuelle Gedächtnis des Opfers bei der Täteridentifizierung weitgehend ablöste.
    Aber die Sache lag völlig anders, wenn eine Frau von jemandem vergewaltigt wurde, den sie kannte – einem Freund, Kollegen, Liebhaber oder Exfreund. Mehr als achtzig Prozent aller Sexualverbrechen passierten zwischen Leuten, die sich kannten, also ging es während des Prozesses nicht um die Identifizierung des Täters. Und doch wurde ausgerechnet die Glaubwürdigkeit dieser Opfer häufiger angezweifelt.
    Mercer, der neben Paige stand, nahm die Deckel von den Kaffeebechern, die er uns mitgebracht hatte. »Es ist, wie Ihnen Alex das schon die ganze Zeit gesagt hat, Paige. Robelon kann nur einen Weg einschlagen. Er kann nicht sagen, dass es nie passiert ist und dass Sie sich das Ganze nur ausdenken. Das ist auf Grund von Trippings DANN unmöglich.«
    »Also wird er sagen, dass ich eingewilligt habe. Dass ich lüge, richtig?«
    Ich nickte.
    »Werden die Geschworenen das bereits wissen, wenn ich in den Zeugenstand trete? Ich meine, behauptet er das einfach so, wenn er sich das erste Mal an sie wendet?«
    »Er wird sie mit Sicherheit auf diesen Gedanken bringen«, sagte ich. Robelon war ein guter Anwalt und würde wahrscheinlich subtiler vorgehen als die meisten. Ich glaubte nicht, dass er Paige Vallis offen als Lügnerin bezichtigen würde. Vielmehr würde er den Geschworenen den Eindruck vermitteln, sie sei hinter Andrew Tripping her gewesen und hätte diese Beziehung unbedingt gewollt, sei aber dann unzufrieden gewesen, als in der besagten Nacht etwas schief ging.
    Ich hasste diesen Moment in einem Prozess. Ich hasste es, diejenige Person zu sein, die das Opfer in der Öffentlichkeit meinem Gegner ans Messer lieferte. In den Monaten, seit Paige die Vergewaltigung gemeldet hatte, hatten Mercer und ich uns bemüht, ihr Vertrauen zu gewinnen und ihr intime Fragen über Dinge zu stellen, über die die meisten Leute nie außerhalb ihres Schlafzimmers sprachen. Jetzt, da ich dieses Vertrauen hatte, würde ich ihr nur zu einem Sieg verhelfen können, wenn ich sie zuerst dem prüfenden und manchmal demütigenden Blick der Öffentlichkeit aussetzte.
    »Werden bei dem Prozess Zeitungsreporter anwesend sein?«, fragte sie.
    »Damit rechne ich nicht. Bis jetzt haben sie kein Interesse an dem Fall bekundet, und ich kann mir nicht vorstellen, warum sich das ändern sollte. Haben Sie eine Freundin gebeten, mitzukommen und Ihnen als moralische Stütze zu dienen?«
    Paige kaute an ihrer Lippe und drehte ein Taschentuch zwischen den Händen. »Nein. Ich habe kaum noch Familie. Nur ein paar entfernte Verwandte. Und meine beste Freundin riet mir, den Prozess zu vergessen und das Ganze einfach abzuhaken.«
    Maxine, meine Assistentin, würde während des Prozesses ihr Rettungsanker sein und ihr in den kommenden schweren Stunden, bildlich gesprochen, das Händchen halten. Sie hatten seit Paiges erster Vernehmung zusammengearbeitet, und ich hatte sie ermuntert, regelmäßig miteinander zu sprechen.
    »Wird Andrew selbst in den Zeugenstand treten?«
    »Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich nicht die geringste Ahnung, Paige.« Das wird großteils davon abhängen, wie gut Sie sind, dachte ich insgeheim. Robelon musste diese Entscheidung erst treffen, wenn ich meinen Fall vorgebracht hatte. Falls Paige beim Kreuzverhör eine gute Figur machte, mochte er es für nötig halten, Andrew Tripping zu den Geschworenen sprechen zu lassen. Allerdings könnte das auch ein Problem für die Verteidigung werden, da ich während seiner Zeugenaussage Dinge fragen konnte, die während meiner Zeugenvernehmung für unzulässig erklärt worden waren.
    Sie spürte meine Frustration darüber, ihr über so vieles, was ihr bevorstand, keine klaren Antworten geben zu können. »Es scheint so unfair«, sagte sie und zwang sich zu einem schwachen Lächeln. »Sie müssen ihnen alles über, Ihren Fall und über mich erzählen, aber die Verteidigung ist nicht verpflichtet, dasselbe zu tun.«
    Ich erwiderte das Lächeln. »Versuchen Sie sich zu entspannen und überlassen Sie diese Sorge mir. Die Karten sind

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