Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Leichenkeller

Der Leichenkeller

Titel: Der Leichenkeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
Vom Netzwerk:
meines Jurastudiums in Virginia kennen gelernt hatte. Sie hatte mit mir getrauert, als er auf dem Weg zu unserer Hochzeitsfeier auf Martha’s Vineyard bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, und sie hatte mir geholfen, langsam wieder aus dem schwarzen Loch aufzutauchen, in das ich nach der Nachricht von Adams Tod gesunken war. In den Jahren seit dieser Tragödie hatte ich mich nie wieder so sehr auf jemanden eingelassen wie auf Jake; dummerweise fand meine beste Freundin, der ich blind vertraute, ihn zu oberflächlich und egozentrisch für mich.
    »Kümmer dich um deinen verdammten Fall, okay?«, sagte Nina. »Du willst wissen, wann Jake heute Abend nach Hause kommt? Vergiss es. Du willst wissen, was diejenige, mit der er sich über deine Abwesenheit hinweggetröstet hat, zur Party trug? Glaub mir, du hättest dir den Fetzen erst gar nicht gekauft. Du willst wissen, wie viel sie über dich weiß? Wenn sie nicht ohnehin schon Nadeln in eine große, blonde, ehrgeizige Voodoo-Puppe steckt, dann sollte sie sich sofort eine kaufen. Wir telefonieren am Samstag. Ich muss jetzt meinen kleinen Wonneproppen füttern.«
    Ich lachte über Ninas Kosenamen für ihren Sohn und legte auf.
    Nachdem ich mein Häppchen verspeist hatte, breitete ich meine Papiere auf dem Schreibtisch aus. Ich hatte ein Eröffnungsplädoyer skizziert und verbrachte die nächste halbe Stunde damit, es auf eine Liste von Stichpunkten zusammenzustreichen. Ich lächelte, als ich an meinen ersten Strafprozess dachte. Ich hatte mit einer absolut detaillierten, in Essayform verfassten Rede vor den Geschworenen gestanden und jedes Wort abgelesen. Mitten in meinem Vortrag unterbrach mich der Richter und winkte mich zu sich heran. »Miss Cooper, das hier ist doch keine Buchbesprechung. Legen Sie Ihre Blätter beiseite und reden Sie mit den Leuten, sonst hört Ihnen am Ende gar keiner mehr zu.«
    Ich hatte gelernt, mir nicht mehr zu viele Notizen zu machen, sondern nur die Hauptpunkte zu skizzieren, die ich vortragen wollte. Der Vorteil einer so genannten vertikalen Strafverfolgung – das heißt, einen Fall durch alle Instanzen, vom Augenblick des ersten Polizeiberichts bis hin zur Urteilsverkündung, zu betreuen – war, dass wir die Fakten im Schlaf kannten und praktisch ohne Notizen arbeiten konnten.
    Am Morgen würde ich noch einmal eine Stunde mit Paige Vallis verbringen, um ihr für ihren schwierigen Tag im Zeugenstand den Rücken zu stärken. Ich ordnete die Fragen, die ich ihr stellen würde, und machte eine Liste der Beweisstücke, die ich dem Gericht mit der Bitte um Vornummerierung vorlegen würde, um in Gegenwart der Geschworenen keine Zeit zu verlieren.
    Gegen Mitternacht zog ich mich aus und schaltete das Licht aus, aber ich war, wie üblich während einer Verhandlung, zu aufgedreht, um gut zu schlafen. Ich stand um sechs Uhr auf und duschte. Während ich meine Haare föhnte, betrachtete ich mich im Spiegel und fragte mich, wie lange es dauern würde, bis die dunklen Augenringe wieder auftauchen würden, die ich während eines Prozesses häufig bekam.
    Ich zog mich an und tupfte etwas Parfüm auf die Handgelenke und hinter die Ohren. Dann rief ich einen Fahrdienst an und wartete in der Lobby auf die Limousine, die mich ins Büro bringen würde. Kurz vor halb acht war ich vor dem Gerichtsgebäude.
    Mein Auto stand noch da, also rief ich als Erstes meinen Automobilclub an, damit man es in die Werkstatt brachte und die beiden Reifen ersetzte. Dann kümmerte ich mich um die Arbeit auf meinem Schreibtisch, bis Mercer eine knappe Stunde später mit Paige Vallis erschien.
    Ich schloss die Tür, damit wir ungestört waren. Ich brauchte nicht mehr die Fakten mit ihr durchzukauen. Die Ereignisse des sechsten März hatten sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Wenn ich ihr jetzt darüber Fragen stellte, würde es sie nur nervöser machen – und ihrer Aussage vor den Geschworenen die emotionale Schärfe nehmen. Stattdessen unterhielten wir uns darüber, wie meiner Meinung nach der Prozess verlaufen würde und wann wir mit einem Urteilsspruch rechnen könnten.
    »Andrews Anwalt?«, fragte Paige.
    »Robelon. Peter Robelon. Was ist mit ihm?«
    »Haben Sie eine genauere Vorstellung, wie er mit mir umgehen wird?«
    Wir hatten bereits unzählige Male darüber gesprochen, und Paige mochte es genauso wenig wie andere Zeuginnen. Wenn der Vergewaltiger ein Fremder war, brauchte die Verteidigung das Opfer nicht anzugreifen. Sie konnte zugeben, dass ein

Weitere Kostenlose Bücher